Die Frau des Diplomaten (German Edition)
Paul sagte, beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten solle ich das Weite suchen. Ich überlege, ob ich mich losreißen und nach draußen rennen soll, aber dann wird mir klar, dass ich mich gegen diese beiden Männer niemals zur Wehr setzen könnte.
Plötzlich höre ich ein Geräusch aus dem Korridor. „Was i…“, beginnt Hartwig und dreht sich um.
Paul steht mit gezogener Waffe in der Tür. „Lassen Sie sie los“, sagt er ruhig. Hartwig zögert und überlegt, was er tun soll. Kann ich es wagen, mich von ihm loszureißen? Auf einmal greift er nach seiner Pistole und richtet sie auf Paul. „Nicht!“, schreie ich. Ein Schuss peitscht durch die Luft, und dann sehe ich, wie Hartwig mit aufgerissenen Augen zu Boden sinkt.
Sofort zielt Paul auf Schobel. „Lassen Sie sie gehen.“ Ich spüre, wie der jüngere Polizist heftig zittert. „Wir wollen Ihnen nichts tun“, spricht Paul weiter und kommt langsam näher. Schließlich tritt Schobel zurück. „Hände auf den Rücken“, fordert Paul ihn auf, dann sieht er zu mir. „Ich habe für die Hintertür länger gebraucht als erwartet. Bist du unverletzt?“ Ich nicke und bemerke gleichzeitig seinen prüfenden Blick, ob das auch wahr ist. „Leg ihm die Handschellen an.“
Ich befolge seine Anweisung. „Was sollen wir mit ihm machen?“
„Wir sperren ihn unten ein.“
„Warst du schon unten?“
Paul schüttelt den Kopf. „Ich musste mich ja erst um dich kümmern.“
„Danke“, antworte ich nur. Ich sollte ihm helfen, die Polizisten abzulenken, aber erreicht habe ich genau das Gegenteil.
„Schon in Ordnung“, beruhigt mich Paul, als hätte er meine Gedanken bereits gelesen. „Jetzt holen wir Marcelitis raus.“
„Dann sind Sie also tatsächlich deswegen hier!“, ruft Schobel.
„Klappe!“, faucht Paul ihn an, packt ihn am Arm und führt ihn zur Kellertreppe. „Nach Ihnen.“ Resigniert steigt der Mann nach unten. „Du wartest hier oben“, sagt Paul zu mir.
Ich nicke und sehe den beiden nach, wie sie ins Dunkel hinabsteigen. Von dort unten schlägt mir warme, feuchte Luft entgegen, deren Gestank mich vage an meine Zeit im Gefängnis erinnert. „Hallo?“, höre ich Paul rufen. „Kannst du irgendwo von da oben das Licht anmachen?“ Ich taste an der Wand entlang, bis ich den Schalter finde. Im Keller geht eine Lampe an, die grelles Licht verbreitet. Da ich die Anspannung nicht länger aushalte, folge ich Paul nach unten. Der rückwärtige Teil des Kellergewölbes ist durch ein Gitter abgeteilt, dahinter liegt eine Gestalt zusammengerollt auf dem nackten Boden.
„Jan Marcelitis?“ fragt Paul, aber die Gestalt regt sich nicht. Ich bekomme einen Schreck. Wir sind zu spät, Marcelitis ist bereits tot.
Paul rappelt an der Zellentür, die natürlich abgeschlossen ist. „Schlüssel?“, fragt er in Schobels Richtung.
„In meiner Tasche“, antwortet der missmutig.
Ich gehe zu ihm, ziehe den Schlüsselbund aus seiner Tasche und werfe ihn Paul zu. Der schließt auf, betritt die Zelle und dreht die zusammengerollte Gestalt auf die Seite. „Oh mein Gott …“
„Nicht ganz“, erwidert eine gedämpfte Stimme auf Englisch. Als sich die Person, der ich durch zwei Länder hinterhergejagt bin, zu uns umdreht, stockt mir der Atem.
Jan Marcelitis ist … eine Frau.
22. KAPITEL
„Jan Marcelitis?“, wiederholt Paul.
Die Frau nickt. Ich kann nicht anders, als sie ungläubig anzustarren. Der große Jan Marcelitis ist nicht größer als ich, hat einen kastanienbraunen Pferdeschwanz und leuchtend grüne Augen, und er ist eine Frau.
Sie sieht zwischen Paul und mir hin und her. „Und wer sind Sie?“, fragt sie auf Englisch mit einem leichten Akzent.
„Wir haben keine Zeit für Erklärungen, ich bin Amerikaner, und Marta arbeitet für die britische Regierung. Wir sind hier, um Sie zu befreien. Sind Sie verletzt?“
Jan steht auf und klopft ihre Kleidung ab. „Nein.“ Als sie die Zelle verlässt und an Schobel vorbeigeht, wirft sie ihm einen vernichtenden Blick zu. „So weit waren sie noch nicht mit mir. Ich glaube, die wollten mich für die Großen aufheben.“
„Gut.“ Paul wendet sich an Schobel und zeigt auf die Zelle. „Da rein mit Ihnen.“ Widerstrebend folgt der Mann der Anweisung.
„Sie wollen ihn am Leben lassen?“, fragt Jan ungläubig.
Paul zögert. Ich selbst habe mir die Frage auch schon gestellt. Schobel hat unsere Gesichter gesehen, er kann uns beschreiben, und er würde uns sofort wiedererkennen. Aber ich weiß auch,
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