Die Frau des Diplomaten (German Edition)
glatt.
Paul nickt und lächelt. „Komm, lass uns von hier verschwinden.“ Eine Sekunde lang hoffe ich, dass wir auf die Brücke zurückkehren, um noch einmal die Aussicht zu genießen. Dann aber wird mir klar, dass er mich zurück zum Servicemen’s Hotel führt.
„Woran denkst du?“, fragt Paul.
„An alles Mögliche. An das, was ich in den letzten Jahren durch diesen Krieg verloren habe.“
Er drückt mich im Gehen leicht an sich. „Pass lieber auf, du hörst dich fast schon so an wie ich.“
Als ich mich daran erinnere, wie ich ihm in der Nacht des Gewitters sein Selbstmitleid vorgeworfen habe, muss ich schmunzeln. „Damit könntest du recht haben. Ich habe dir wirklich einige Vorhaltungen gemacht, nicht wahr?“
„Keineswegs. Du hattest durchaus recht. Wir können dankbar sein, dass wir noch leben und dass wir die Chance auf ein neues Leben bekommen haben. Und jetzt können wir endlich heimkehren.“
Heimkehr. Paul wird mich verlassen und für immer nach Amerika zurückkehren. Abrupt bleibt er stehen und dreht sich mit ernster Miene zu mir um. „Das einzig Traurige daran ist, dass ich dich verlassen muss.“ Mein Herz schlägt wie verrückt. „Sicher, wir beide kennen uns noch nicht lange, aber … du wirst mir sehr fehlen, Marta.“
Dann geh doch nicht! , möchte ich ihn anschreien. „Du wirst mir auch fehlen.“
Wir stehen lange schweigend da und sehen uns in die Augen. Plötzlich sagt er: „Es ist schon spät. Wir sollten zum Hotel gehen und deine Fahrkarten abholen.“ Wir gehen weiter und erreichen schließlich das Servicemen’s Hotel.
Aus der Lobby ist ausgelassener Jubel zu hören, die Soldaten feiern das Kriegsende. „Am besten wartest du hier“, schlägt Paul vor. „Sobald mir Mickey die Unterlagen gegeben hat, begleite ich dich zu deiner Unterkunft.“
Meiner Unterkunft? Ich gerate in Panik. Vor lauter Freude über das Wiedersehen habe ich ganz vergessen, mich um ein Quartier zu bemühen. „Das ist nicht nötig, ich …“, beginne ich, aber Paul ist bereits verschwunden.
Ein paar Minuten später kommt er zurück. „Alles erledigt“, sagt er. Auf der Zugfahrkarte ist handschriftlich ein neues Abfahrtdatum notiert. „Der Portier hat am Bahnhof angerufen und für dich einen Platz im Zug nach Calais reserviert. Um Viertel nach sieben geht es los. Das ist ziemlich früh am Tag, aber nur so erreichst du rechtzeitig die Fähre.“
„Nochmals vielen Dank.“ Ich stecke alles in meine Tasche, während Paul mich zur Straße begleitet und ein Taxi herbeiwinkt.
„Paul, mein Hotel ist am anderen Ende der Stadt“, versuche ich mich herauszureden. „Du musst nicht mitfahren.“
Er öffnet die hintere Tür. „Ich würde dich aber gern begleiten.“
„Ich weiß. Aber es wäre mir lieber, wenn du es nicht machst. Bitte.“ In diesem Moment beginnt es zu regnen.
„Ich verstehe nicht …“
„Wenn ich mich nicht jetzt von dir verabschiede …“ Ich unterbreche mich und sehe weg, erst dann schaue ich Paul wieder in die Augen. „Wenn ich mich nicht jetzt von dir verabschiede, dann wird es mir das Herz brechen.“ Ich gebe ihm einen schnellen, festen Kuss, und noch bevor er reagieren kann, sitze ich im Taxi und ziehe die Tür zu. „Fahren Sie bitte“, bringe ich auf Französisch zustande.
„Wohin?“
„Weg von hier“, sage ich. Paul steht neben dem Taxi und sieht mich an. In meiner Verzweiflung fällt mir nur eine Adresse in ganz Paris ein. „Zum Louvre.“ Weder weiß ich, wie weit der Louvre entfernt ist, noch habe ich eine Ahnung, was mich das kosten wird. Sobald ich außer Sichtweite bin, werde ich den Taxifahrer bitten, anzuhalten.
„Aber der Louvre ist längst geschlossen …“
„Fahren Sie“, dränge ich. Der Wagen setzt sich in Bewegung. Schau nicht zurück, ermahne ich mich. Tränen laufen mir übers Gesicht. Plötzlich wird auf das Wagendach geschlagen, was sich anhört, als hätte jemand einen schweren Stein geworfen. „Mon dieu!“ , ruft der Fahrer und tritt auf die Bremse. Wieder ist der Schlag zu hören, doch jetzt kommt das Geräusch nicht vom Dach, sondern von der Heckscheibe. Ich wirbele erschrocken herum und sehe eine Person auf allen vieren auf der Kofferraumhaube kauern. Paul!
Er springt auf die Straße, dann kommt er nach vorn. Ich kurbele das Fenster herunter. Mittlerweile gießt es in Strömen, Pauls Haar ist klatschnass und klebt an seiner Stirn, doch er scheint es gar nicht zu bemerken. „Was um alles in der Welt machst du da?“, rufe
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