Die Frau des Diplomaten (German Edition)
aufhält.“
„Er ist wie ein Geist“, pflichtet der stellvertretende Minister seinem Vorredner bei, die anderen nicken bestätigend. Die Behörden in verschiedenen von den Kommunisten besetzten Ländern versuchen seit Langem, Marcelitis dingfest zu machen, zuvor war die Gestapo vergeblich auf der Suche nach ihm. Als Folge davon arbeitet er im Verborgenen und bleibt nie lange an einem Ort. Ich weiß noch, wie Alek davon sprach, dass Marcelitis nur deshalb so problemlos von der Bildfläche verschwinden könne, weil er weder Frau noch Familie hat.
„Ich hörte, dass Marcelitis derzeit in Prag ist“, erwidert Roger. „Es würde passen, wenn man bedenkt, was dort gerade los ist.“ Aus den vergangenen Besprechungen weiß ich, dass sich die Regierung der Tschechoslowakei der sowjetischen Bevormundung widersetzt, dass die Situation aber zunehmend kritisch wird, da der kommunistische Innenminister versucht, die anderen Minister aus dem Amt zu drängen und dabei von der Polizei Unterstützung erhält.
„Aber selbst wenn Marcelitis sich dort aufhält und den von Dichenko gestohlenen Dechiffrierer hat, heißt das nicht, dass er mit uns kooperieren wird“, gibt Roger zu bedenken.
„Mag sein“, räumt der stellvertretende Minister ein. „Aber versuchen müssen wir es dennoch. Marcelitis ist unsere beste Chance, nein, er ist unsere einzige Chance, an den Dechiffrierer zu gelangen.“ Er sieht zu seinem Chargé d’Affairs, der unmittelbar links von ihm sitzt. „Johnson, wer sind unsere Männer in Prag, die in der Lage sind, einen Kontakt zu Marcelitis herzustellen?“
Johnson blättert in seinen Unterlagen. „Viele sind es nicht. Karol Hvany …“
Von irgendwoher kommt der Einwurf: „Tut mir leid, Sir, aber Hvany wurde schon vor Wochen festgenommen.“
Johnson liest weiter: „Demaniuk, der Kerl vom Land.“
„Wir haben Grund zu der Annahme, dass seine Tarnung aufgeflogen ist“, erklärt Simon.
Der stellvertretende Minister nimmt Johnson die Liste aus der Hand und sieht sie durch. „Und Stefan Bak ist vor einem halben Jahr zu Tode gekommen.“ Er knallt das Papier auf den Tisch. „Verdammt, es muss doch irgendjemanden geben!“ Einige der Anwesenden tauschen angesichts des plötzlichen Wutausbruchs erstaunte Blicke aus.
Johnson nimmt die Liste wieder an sich, blättert und sagt dann: „Einen hätten wir noch. Ein Mann namens Marek Andek.“
Marek Andek . Mir ist, als hätte mir jemand die Luft aus den Lungen gepresst. Marek Andek. Ich wiederhole den Namen im Geist und frage mich, ob ich mich vielleicht verhört habe.
„Was wissen wir über Andek?“, fragt der stellvertretende Minister. Mein Herzschlag setzt für einen Moment aus und beginnt dann zu rasen. Marek war einer der Führer der Widerstandsbewegung, er hatte Alek unterstanden.
„Nicht viel“, antwortet Johnson. „Er ist Beamter und unterhält eine lockere Beziehung zur Führungsriege der Opposition. Andek ist vor einigen Monaten wiederholt in Berlin gewesen, um sich mit Marcelitis zu treffen. Unser Problem ist, dass wir niemanden haben, der ihn persönlich kennt.“
„Ich kenne ihn“, murmele ich. Alle Männer im Raum drehen sich zu mir um.
„Wie bitte?“, fragt Johnson mit einer Mischung aus Verärgerung und Unglauben. „Haben Sie etwas gesagt?“
Ich muss einmal tief durchatmen. „J-ja. Ich sagte, ich kenne Marek Andek.“
14. KAPITEL
Im Konferenzraum herrscht Schweigen. Ich sehe nach unten und wünsche mir inständig, der Boden würde sich auftun und mich verschlingen. Aus dem Augenwinkel sehe ich Simons erstaunte Miene. Sekretärinnen melden sich bei diesen Besprechungen grundsätzlich nicht zu Wort.
„Sie kennen Andek?“, wiederholt der stellvertretende Minister ungläubig.
Ich zögere und überlege, ob ich widerrufen und stattdessen erklären soll, dass ich mich geirrt habe. Aber es ist längst zu spät, um noch etwas ungeschehen zu machen. „Ja“, antworte ich leise. Gemurmel kommt auf.
„Marta“, sagt Simon in einem warnenden Tonfall, dann steht er auf und dreht sich zum stellvertretenden Minister um. „Sir, ich bitte Sie, diesen Zwischenfall zu entschuldigen. Meine Assistentin scheint vergessen zu haben, wo sie ist.“ Seine Assistentin also, nicht seine Ehefrau. „Sie kann diesen Mann gar nicht kennen. Das muss ein Irrtum sein.“ Ich setze zum Reden an, um ihm zu widersprechen, doch als ich seine wütende Miene sehe, verkneife ich mir jede Bemerkung.
Der stellvertretende Minister sieht zwischen Simon
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