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Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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nach links und rechts zu schauen. Mit den Worten „Dringende Nachricht aus dem Büro des Ministers“ überreicht er dem stellvertretenden Minister einen Zettel.
    Der überfliegt die Nachricht und presst die Lippen aufeinander. „Richten Sie ihm aus, ich werde in Kürze zu ihm kommen.“ Der Bote nickt und zieht sich so schnell zurück, wie er hereingekommen ist. Der stellvertretende Minister wendet sich wieder an die Anwesenden. „Ich fürchte, ich muss diese Besprechung vorzeitig beenden. Die Mitarbeiter des Geheimdienstes bleiben bitte hier.“ Stühle werden gerückt, als sich gut die Hälfte der Teilnehmer erhebt und mit den jeweiligen Sekretärinnen den Raum verlässt. Die anderen, einschließlich Simon, rücken ans Kopfende auf, um die entstandenen Lücken zu schließen. Dann wendet sich der stellvertretende Minister an die Verbliebenen. „Es gibt schlechte Nachrichten. Einer unserer ausländischen Mitarbeiter ist tot.“
    Leises Murmeln macht sich breit. „Wo, Sir?“, fragt einer der Männer.
    „St. Petersburg. Er sollte sich mit einem Kontaktmann treffen, aber er tauchte nicht am vereinbarten Treffpunkt auf. Gefunden wurde er in seiner Wohnung, angeblich ist er einem Herzanfall erlegen. Das ist bereits der dritte innerhalb von sechs Monaten!“
    „Der vierte, wenn man Tersky mitzählt“, wirft Simon ein. Ich erinnere mich, dass ich den Namen schon einmal gehört habe. Tersky war der Kontaktmann in Odessa, der einen Mordanschlag zwar überlebte, aber seither im Koma liegt.
    „Wir können nicht länger die Augen vor der Wahrheit verschließen. Wir haben eine undichte Stelle in unseren Reihen. Jemand arbeitet für die Russen und gibt die Namen unserer Kontaktleute preis. Wir müssen diese undichte Stelle finden, sonst sind all unsere Bemühungen vergebens.“
    „Was ist mit der Liste?“, fragt einer aus der Runde. Zwar war in den Besprechungen bislang von keiner Liste die Rede, doch ich weiß von Simon, dass in Wien letzten Monat eine Liste abgefangen wurde, die Namen von mutmaßlichen Kollaborateuren enthält.
    Der stellvertretende Minister schüttelt den Kopf. „Bislang ist es niemandem gelungen, den Code zu knacken. Unsere Spezialisten arbeiten daran, aber sie sagen, dass sie noch einige Zeit brauchen. Zeit, die wir nicht haben.“
    „Wir müssen den Dechiffrierer in unseren Besitz bringen“, lässt Simon verlauten, die anderen nicken zustimmend.
    „Das sehe ich genauso. Die Frage ist nur, wie wir das anstellen sollen. Keiner unserer Kontakte in Moskau bekleidet einen Posten, der den Zugriff darauf erlaubt. Und selbst wenn, müssen wir davon ausgehen, dass die Identität unserer Männer bereits aufgedeckt wurde.“
    „Was ist mit Jan Marcelitis?“, meldet sich eine Stimme am anderen Ende des Tisches. Alle drehen sich zu Roger Smith um, dem derzeit jüngsten Mitarbeiter des Geheimdienstes. Jan Marcelitis. Ein Raunen geht durch den Raum, und mir läuft ein Schauer über den Rücken. Alek und Jakub sprachen damals oft von Marcelitis: Er sei wie kaum ein zweiter in der Lage, die feindlichen Linien zu überwinden und Informationen an die Alliierten weiterzugeben. Seit ich für das Außenministerium arbeite, ist der Name wiederholt gefallen. Doch so oft die Leute ihn auch erwähnen, scheint bislang niemand diesen Mann persönlich getroffen zu haben. Um Marcelitis ranken sich Legenden, die zum Teil so unglaubwürdig wie widersprüchlich sind. Angeblich nahm er es im Krieg ganz allein mit einer SS-Einheit auf. Eigentlich ist er Amerikaner. Eigentlich ist er ein Kommunist. Zuletzt hieß es, Marcelitis stünde dem Westen mittlerweile skeptisch gegenüber und unterstütze die Opposition gegen die Kommunisten auf eigene Faust. „Als Dichenko vor ein paar Wochen aus dem russischen Geheimdienst verschwand, soll auch ein Dechiffrierer abhanden gekommen sein, erzählt man sich. Sicherlich wollte er ihn zu Marcelitis bringen“, fährt Smith fort.
    „Das ist nur ein Gerücht“, antwortet ein anderer. „Dichenko liegt wahrscheinlich mit ein paar Betonklötzen an den Beinen auf dem Grund der Wolga, zusammen mit dem Dechiffrierer – vorausgesetzt, er hat ihn überhaupt mitgenommen.“
    Der jüngere Mann schüttelt den Kopf. „Ich hörte, dass Dichenko vor nicht mal zwei Wochen in Riga gesehen wurde, wo er auf dem Weg zu einem Treffen mit Marcelitis gewesen sein soll.“
    „Und wo sollte dieses Treffen stattfinden?“, fragt einer der Männer. „Wir haben keine Ahnung, wo Marcelitis sich

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