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Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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aufs Sofa setze, zwinge ich mich, meine Gedanken auf Simon zu konzentrieren. Ich weiß, dass ich sein Verhalten nicht persönlich nehmen sollte. Simon ist ein von Natur aus distanzierter Mensch. Er hat keine Familie, wenn man von ein paar Cousins absieht, die irgendwo im Norden leben. Von seinen Eltern erzählt er selten, an sie erinnert nur ein Hochzeitsfoto, ein bräunliches, grobkörniges Bild, das auf dem Kaminsims steht. Einmal sprach er davon, dass er eine Truhe mit ihren Habseligkeiten auf dem Speicher aufbewahrt. Erst als ich hartnäckig blieb, versprach er mir, sie irgendwann einmal nach unten zu bringen. Ich möchte mir den Inhalt ansehen und herausfinden, ob es das eine oder andere Erinnerungsstück für Rachel gibt, da ich von meiner Familie nichts weiterzugeben habe.
    Nach unserer Heirat fand ich recht schnell heraus, dass Simon keine Freunde hat. Wir gingen schon bald kaum noch aus, weder in Restaurants noch ins Theater. Von den wenigen Pflichtterminen abgesehen, die seine Arbeit mit sich bringt, verlassen wir nur selten das Haus. Anfangs überlegte ich, mir einen eigenen Freundeskreis zuzulegen, aber wie sollte ich das anstellen? Die Nachbarn kennen Simons verschlossenes Wesen seit Jahren, und sie bleiben auch mir gegenüber auf Distanz. Von den anderen Sekretärinnen, die allesamt ledig und kinderlos sind, ernte ich nur misstrauische Blicke. Ihnen gefällt es offenbar nicht, dass ich die Frechheit besitze, einen Ehemann und eine Arbeit zu haben. Delia wohnt am anderen Ende der Stadt, für spontane Besuche ist das viel zu weit entfernt. Also verbringe ich meine Abende in diesem heruntergekommenen alten Haus, lese Bücher oder lausche dem Radio.
    Aber ist es wirklich so viel besser, wenn Simon mir Gesellschaft leistet? Wenn wir an den Wochenenden gemeinsam zu Abend essen, ist das keine unangenehme Zeit für mich. Simon erzählt mir, was bei seinen Besprechungen herausgekommen ist, und ich erzähle ihm, was ich mit Rachel erlebt habe. Erst letzte Woche berichtete ich ihm, wie sie in der Badewanne herumalberte, und tatsächlich mussten wir beide von Herzen lachen. Aber das sind nur flüchtige Augenblicke, und selbst wenn wir einen solchen Moment erleben, zieht sich Simon gleich darauf in sein Arbeitszimmer zurück. Er und ich sind wie die Kinder, die ich im Park beobachte: sie spielen gemeinsam im selben Sandkasten, haben aber keinen Kontakt zueinander. Zwei Menschen, die an ein und demselben Ort zwei voneinander getrennte Leben führen.
    Die Uhr auf dem Kaminsims schlägt neun, und ich beschließe, langsam nach oben zu gehen. Im ersten Stock schleiche ich auf Zehenspitzen durch den Flur und bleibe an der Tür zu Rachels Zimmer stehen. Ich kann mich nur mit Mühe davon abhalten, zu ihr zu gehen und sie an mich zu drücken. Stattdessen begnüge ich mich damit, eine Weile ihrem ruhigen, gleichmäßigen Atmen zu lauschen. Schließlich gehe ich weiter in mein eigenes Schlafzimmer und dann ins Bad, um mich zu waschen und umzuziehen. Im Spiegel über dem Waschbecken betrachte ich mein Gesicht. Was, wenn ich mich einfach nur zu weit von der Frau entfernt habe, die Simon hatte heiraten wollen? Mein Gesicht ist ein wenig rundlicher geworden, und ich sehe ein paar vorzeitig ergraute Haare – ein Erbe meiner Mutter. Durch die Schwangerschaft habe ich ein paar Pfund zugenommen, die ich seitdem nicht mehr losgeworden bin. Vielleicht würde es ja etwas ändern, wenn ich für ihn abnehme … Aber der Gedanke ist noch nicht zu Ende geführt, da weiß ich bereits, dass Simon es nicht einmal bemerken würde.
    Ist es überhaupt die Mühe wert, irgendetwas zu ändern?, überlege ich, während ich mich ins Bett lege und das Licht lösche. Die ganze Situation ist schrecklich eingefahren, außerdem habe ich nie eine so leidenschaftliche Liebe für Simon gespürt, wie ich sie für Paul empfunden habe. Zu Beginn unserer Ehe nahm ich Simons mangelndes Interesse sogar mit Erleichterung zur Kenntnis, da es meinen zwiespältigen Gefühlen entgegenkam. Aber sein fast andauerndes Desinteresse tut mir in der Seele weh, und mittlerweile sehne ich mich nach etwas Zuneigung.
    Ein Geräusch im Erdgeschoss unterbricht meine Gedanken. Die Haustür ist ins Schloss gefallen, Simon ist zu Hause. Ich höre, wie er in die Küche geht. Dann nehme ich Schritte auf der Treppe wahr. Ich setze mich auf, mache mir aber keine großen Hoffnungen auf etwas Zuwendung. Wir lieben uns nach einem strikten Zeitplan: jeden Samstag nach dem Abendessen, nachdem

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