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Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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ausgeschnitten ist, um darunter etwas aus Spitze zum Vorschein kommen zu lassen. Anstelle ihrer flachen Schuhe trägt sie nun hochhackige, und sie hat Rouge und leuchtenden Lippenstift aufgelegt. Sie sieht jetzt so aus, als habe sie sich für einen abendlichen Ausflug in die Stadt zurechtgemacht, und vermutlich will sie genau diesen Eindruck erwecken. Mit einem Mal kommen mir mein Wollrock und meine Jacke sehr unpassend vor.
    Sie führt mich zu einem Auto, das an der Ecke geparkt ist. Die Beifahrertür ächzt laut, als Renata sie für mich öffnet. Ich steige in den Wagen, in dem es unangenehm feucht ist. „Wir müssen uns beeilen“, erklärt sie, während sie den Motor anlässt. „Tante Sophie wird sich Sorgen machen, wenn wir zu spät kommen.“
    „Tante Sophie?“, frage ich im Flüsterton.
    „Spielen Sie mit“, raunt sie mir zu, und mir wird klar, dass auch diese Unterhaltung nur einem möglichen Lauscher gilt.
    „Ja, ich … ich freue mich schon darauf, Tante Sophie endlich einmal wiederzusehen“, improvisiere ich, als Renata losfährt. Diese Spionagespiele fühlen sich seltsam an.
    „Tut mir leid, dass wir nicht den Wagen der Botschaft nehmen können. Dafür kann ich Ihnen einen DKW präsentieren, den Stolz deutscher Ingenieurskunst.“ Dabei klopft sie auf das Armaturenbrett. „Passen Sie auf, dass Sie nicht durch die Löcher im Boden fallen.“
    Ich will lachen, doch als ich nach unten schaue, muss ich feststellen, dass sie es ernst meint. „Müssen wir weit fahren?“
    Renata bremst an einer Ampel. „Nur bis zu einer Bar im Nové Mesto. Das ist nicht so weit, aber bei dieser Kälte ist es …“ Sie verstummt abrupt und schaut voller Unbehagen in den Rückspiegel.
    Ich sehe über die Schulter nach hinten. „Was ist?“
    „Nicht umdrehen!“, zischt sie und packt meinen Arm. Ich schaue nach vorn, meine Wangen glühen. Als die Ampel umspringt, tritt Renata aufs Gaspedal und biegt nach rechts ab, dann lenkt sie abrupt nach links. Die Reifen verlieren den Halt auf dem nassen Pflaster, der Wagen rutscht seitwärts auf einen Laternenmast zu. Ich klammere mich an meinem Sitz fest und versuche, mich auf den drohenden Aufprall gefasst zu machen. Aber Renata reißt das Lenkrad herum und bringt den Wagen zurück auf die Straße. Schließlich geht sie vom Gas und sieht abermals in den Rückspiegel. „Tut mir leid, aber da war ein verdächtiger Wagen. Ich dachte, man würde uns verfolgen. Aber er ist weg.“ Unwillkürlich drängt sich mir die Frage auf, ob sie nicht vielleicht überreagiert hat. „Ich wollte Sie nicht so anherrschen“, sagt sie. „Aber wenn Sie sich noch weiter umgedreht hätten, wäre das verdächtig gewesen.“
    Und wenn sie den Laternenmast gerammt hätte? Wäre das etwa nicht verdächtig gewesen? „Entschuldigung“, entgegne ich. „Das wusste ich nicht.“
    „Man hat Sie für diesen Einsatz nicht geschult, oder?“ Ich schüttele den Kopf, Unbehagen regt sich in mir. Meine Abreise fand so übereilt statt. Simon war wütend auf mich, der stellvertretende Minister hatte keine Zeit für Erklärungen. Auf was hätte man mich wohl noch vorbereiten sollen?
    Ein paar Minuten später parkt Renata in einer Seitenstraße. Ich sehe aus dem Fenster, aber eine Bar kann ich nirgends entdecken. „Sind wir da?“
    „Noch nicht, aber es ist besser, wenn wir hier parken und den Rest zu Fuß gehen.“ Ich will die Wagentür öffnen, doch sie hält mich zurück. „Augenblick noch. Sie haben keine Kronen dabei, oder?“
    Nach kurzem Zögern wird mir klar, dass sie tschechisches Geld meint. „Nein. Ich wollte im Hotel etwas wechseln …“
    „Hier.“ Sie drückt mir ein paar Münzen und Scheine in die Hand. „Keine Sorge“, erstickt sie meinen Protest im Keim. „Ich bekomme das Geld von der Botschaft zurück. Und jetzt kommen Sie.“
    Ich steige aus und folge Renata durch die dunklen, verlassenen Straßen. Feiner Nieselregen setzt ein, und ich merke, wie sich meine Haare zu kräuseln beginnen. Renata führt mich um den halben Block herum, dann bleibt sie vor einem unscheinbaren Haus stehen. Von drinnen sind Musik und Stimmen zu hören.
    „Bereit?“, fragt sie. Ich nicke und muss schlucken. Der Lärm wird lauter, als wir eine Treppe hinuntergehen und eine Tür durchschreiten. Die Bar befindet sich in einem langgestreckten Kellerraum. Mehrere Holzbänke, die wie willkürlich hingestellt wirken, sind überwiegend von jungen Leuten besetzt, die entweder Karten spielen oder sich unterhalten,

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