Die Frau des Germanen
mit Spielen beschäftigte, wenig
um die Politik, und die traumhaften Aufstiege mancher Wagenlenker gaukelten dem einfachen Volk vor, dass auch aus dem Kleinsten
und Gemeinsten unter ihnen ein reicher und geachteter Mann werden könnte. Mittlerweile |231| war das römische Reich gar nicht mehr in der Lage, den Bedarf an Rennpferden selber zu decken. Sie wurden aus Nordafrika,
Spanien und Griechenland eingeführt, damit täglich mehrere Wagenrennen stattfinden konnten.
Antonius Andecamus, der es noch immer nicht aufgegeben hatte, zu einem Mitglied der kaiserlichen Familie aufzusteigen, und
daher alles tat, um seinem Kaiser gefällig zu sein, hatte gehandelt, wie das Volk es sich wünschte: Er hatte seinem erfolgreichsten
Wagenlenker die Geldprämien gelassen, die er bekam, und nichts davon für sich beansprucht! Eine wahre Mannestat! Denn für
jeden seiner Siege hatte Naso etwa zwanzigtausend Sesterzen bekommen, das war zwanzig Mal so viel wie ein Legionär im ganzen
Jahr bekam. Naso würde mit einem Vermögen in die Freiheit gehen, das ihm alle Möglichkeiten eröffnete. Die Zuschauer erwarteten
daher ein Rennen, in dem es ums Ganze gehen würde. Naso würde eher auf sein Leben als auf den Sieg verzichten, so viel stand
fest. Severina hatte am Tag vorher jemanden sagen hören, Naso plane, direkt nach seiner Freilassung als Erstes ein Denkmal
auf seinem eigenen Grund und Boden errichten zu lassen, das ihn und sein bestes Pferd zeigte. Danach wollte er mit dem Bau
der Villa beginnen, vor der das Denkmal demnächst seine Gäste begrüßen sollte.
Caligula und Silvanus waren eigentlich noch zu klein, um einem Wagenrennen beizuwohnen, aber Germanicus hatte darauf bestanden,
dass seine Söhne dabei waren. »Wenn sie nicht früh genug Blut zu sehen bekommen, werden sie verweichlicht und haben später
keinen Spaß an den Gladiatorenkämpfen.« Der Blick, mit dem er Silvanus bedachte, hatte Severina nicht gefallen. »Dein kleiner
blonder Liebling hat’s besonders nötig. Der beginnt ja schon zu weinen, wenn jemand eine Fliege zerquetscht.«
Damit hatte er wieder einmal Severinas wunden Punkt getroffen. Tatsächlich machte sie sich immer größere Sorgen um ihren Sohn.
Silvanus jammerte, wenn ein Tier geschlagen wurde, tröstete einen Sklaven, wenn er bestraft worden war, und hatte sich |232| am Tag zuvor sogar schützend vor Gaviana gestellt, als Severina ihr eine Ohrfeige verpassen wollte.
Der kleine Caligula dagegen hatte längst begriffen, dass Tiere und Sklaven kein Mitgefühl nötig hatten. Tag für Tag mahnte
Severina ihren Sohn, sich an seinem Cousin ein Beispiel zu nehmen, aber Silvanus verstand nicht einmal, was sie meinte. Er
sah auch nicht ein, warum sie sich darüber ärgerte, dass es ihm nichts ausmachte, sich besiegen zu lassen. Wenn er sich mit
Caligula um ein Spielzeug stritt, gab er schnell nach; wenn Caligula ihn zu Boden ringen wollte, verzichtete er auf jeden
Widerstand, und beim Spiel mit den Holzschwertern war Silvanus immer der Erste, der seine Waffe streckte und zur Seite legte.
Wenn Caligula sich dann von seinen Eltern als Sieger feiern ließ, sah Silvanus nur gleichmütig zu. Und als Severina ihm von
Gaviana einen Lorbeerkranz flechten ließ, um ihm zu zeigen, welch erhabenes Gefühl es war, zum Sieger gekrönt zu werden, wischte
er den Kranz mit einer energischen Handbewegung vom Kopf. »Will nicht!«
Der Kaiser legte Caligula wohlwollend eine Hand auf den dunklen Schopf. »Ein schöner Urenkel, Agrippina! Caligula wird mal
ein kluger, starker Mann!«
Dann betrachtete er Silvanus mit dem gleichen Blick, den auch Germanicus aufsetzte, wenn er Severinas Sohn betrachtete. »Woher
hast du nur dieses blonde Kind, Severina?«, klagte der Kaiser. »Sorg wenigstens dafür, dass der Junge bald einen Vater bekommt!«
Er wies zu Naso, der seinen Streitwagen inspizierte, weil er zu Recht befürchtete, dass jemand versuchte, den Sieg zu manipulieren.
»Wenn du willst, sorge ich dafür, dass Naso dieses Rennen nicht überlebt. Dann fällt sein Vermögen an seinen Besitzer. Antonius
Andecamus wird noch ein gutes Stück reicher. Würde dir das gefallen?«
Severina verneigte sich tief. »Ich weiß, Ihr meint es gut mit mir und meinem Sohn. Aber es ist nicht mein Wunsch, mich noch
einmal zu vermählen.«
Der Kaiser seufzte, dann tätschelte er Caligula ein zweites |233| Mal den Kopf und winkte Silvanus mit einer ungeduldigen Handbewegung weiter.
Fest
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