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Die Frau des Germanen

Die Frau des Germanen

Titel: Die Frau des Germanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wiete blieb wie erstarrt sitzen. »Römer?«, stieß sie hervor. »Wieso Römer?« Sie schüttelte den Kopf und
     sah den Händler an, als hielte sie ihn für einen Lügner. »Dort kämpfen die Männer der Eresburg gegen meinen Bruder und seine
     Krieger. Dort können keine Römer sein!«
    Der Händler hob die Schultern. »Ich habe Römer gesehen«, beharrte er. »Sie sind unschwer zu erkennen an ihren Rüstungen und
     den Bannern, die die Reiter mit sich führen. Ich hab’s genau gesehen: Euer Bruder kämpfte gegen römische Legionäre.«
    »Wie ist das möglich?«, fragte Wiete aufgeregt. »Warum sind die Römer zur Eresburg gezogen? Was wollen sie dort?«
    |322| »Das kann kein Zufall sein!« So viel stand für Inaja fest.
    »Und wie verläuft der Kampf?«, fragte Wiete den Händler.
    »Die Römer sind in der Überzahl.« Er sah die beiden Frauen mitfühlend an. »Die Krieger der Eresburg kämpfen an der Seite der
     Römer. Fürst Arminius ist in schwerer Bedrängnis.«
    Wiete wies Inaja an, für den Händler eine Holzschale mit Hirsebrei zu füllen. Er löffelte gierig, während er die Frauen nicht
     aus den Augen ließ und ihre Überlegungen, Mutmaßungen, Sorgen und Hoffnungen in sich aufnahm, um sie auf der nächsten Burg
     mitsamt dem Bernstein und seinem Stoff anzubieten.
    »Was bezweckt Segestes?«, fragte Wiete ein ums andere Mal, während Inaja nur eine Frage interessierte: »Wird es Arminius gelingen,
     meine Herrin zu befreien?«
    Wiete winkte ab. »Wenn nicht heute, dann in absehbarer Zeit. Was denkt Fürst Segestes sich? Will er in Zukunft die Eresburg
     mit Kriegern umstellen, um seine Tochter dort einzuschließen? Er muss doch wissen, dass Arminius sich niemals geschlagen geben
     wird. Er wird es wieder versuchen und immer wieder. So lange, bis er Thusnelda wieder an seiner Seite hat. Segestes kann seine
     Tochter nicht ein Leben lang bewachen.«
    Inaja spürte, wie die Angst an ihrem Rücken hinaufkroch. »Er muss etwas anderes mit ihr vorhaben. Er ist ja nicht dumm.«
    Wiete sah sie spöttisch an. »Du willst über die Klugheit eines Fürsten urteilen?«
    Inaja senkte den Blick und schwieg. Selbstverständlich stand es ihr nicht zu, die Handlungsweise eines Fürsten zu bewerten.
     Was wusste sie, eine einfache Dienstmagd, schon von dem, was ein Fürst dachte und tat? Nichts! Trotzdem glaubte sie weiterhin,
     dass Fürst Segestes etwas im Schilde führte, von dem sich niemand ein Bild machte, aber sie sprach es nicht aus.
     
    Sie hatten sich zum Totengedenken versammelt. Sämtlicher Mitglieder der kaiserlichen Familie, die den Lebenden vorausgegangen
     waren, sollte an diesem Tage gedacht werden, besonders aber demjenigen, der sie als Letzter verlassen hatte: Kaiser |323| Augustus. Sein Nachfolger ging voran, trug höchstpersönlich einige der Opfergaben, die Kaiser Augustus dargebracht werden
     sollten, zu seiner Grabstätte. Die restlichen wurden von den Sklaven herbeigebracht, Brot und Früchte, Kuchen und Wein, Weihrauch
     und Blumen.
    Alle, die sich zur kaiserlichen Familie zählen durften, folgten Tiberius, ihnen voran Severina und Agrippina, die ihre eigenen
     Opfergaben mitgebracht hatten. Auch ihre Kinder hielten kleine Geschenke für den Urgroßvater in ihren Händen, selbst geflochtene
     Opferkränze, Salzkörner, die im Innern des Grabmals ausgestreut werden sollten, Brot, das in Wein getaucht worden war. Silvanus
     hütete in den gewölbten Handflächen die Blüten von Veilchen, die er der Urne des Urgroßvaters zu Füßen legen wollte.
    Das kreisrunde Grabmal hatte Kaiser Augustus schon vor über vierzig Jahren errichten lassen. Ein großer Grabhügel auf einem
     Sockel aus weißem Marmor, von riesigen Pinien beschirmt, dahinter ein großer Park mit mächtigen Bäumen. Den Auftrag hatte
     er nach der Eroberung Ägyptens gegeben, nachdem er in Alexandria das Grab Alexander des Großen besucht und bewundert hatte.
    In der Mitte des Grabmals, als seine zentrale Säule, erhob sich eine Bronzestatue, die Augustus in der Blüte seiner Jahre
     zeigte, am Eingang standen zwei Obelisken, an denen Bronzetafeln angebracht waren. Auf ihnen waren nach der Beisetzung sämtliche
     großen Taten des verstorbenen Kaisers verewigt worden. Ein langer Gang führte vom Eingang ins Innere des Grabmals, an dessen
     Ende Kaiser Tiberius als erster einen Vorraum betrat, in dem steinerne Bänke standen, die Platz boten für alle, die zur Totenehrung
     gekommen waren. Später würden nur die nächsten

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