Die Frau des Germanen
sich geweigert
hatte, Fürst Aristan zu heiraten, und dem Ruf ihres Herzens gefolgt war. Aber jetzt war sie wieder hier, wo sie als Kind,
als junges Mädchen gelebt hatte, wo ihr Vater herrschte und nur sein Wort galt.
»Ich werde hier nicht bleiben«, hatte sie gerufen, kaum dass Segestes’ Gefolgsmann sie vom Pferd gehoben hatte. »Glaub nicht,
dass du mich von Arminius trennen kannst. Das wird dir nicht gelingen! Ich werde warten, bis er mich holen kommt. Nur um auf
ihn zu warten, bin ich hier! Sobald er hier erscheint, werde ich ihm wieder zur Teutoburg folgen.«
Nichts war verändert worden in ihrer Kammer. Ihr Schlaffell lag noch da, als hätte sie es gerade erst verlassen, die Holztruhe
stand noch in der Ecke, darin die Aussteuer, die sie für ihre Ehe mit Fürst Aristan gewebt hatte. Fast sah es so aus, als
hätte ihr Vater mit ihrer Rückkehr gerechnet und deswegen alles so gelassen, wie es gewesen war, als sie noch hier lebte.
Zu ihrem heftigen Zorn hatte sich bald eine zarte Wehmut gesellt. Als sie sich das erste Mal wieder auf ihr Schlaffell legte,
den kleinen Haarwirbel an der rechten Seite ertastete und die raue, abgeschabte Stelle an der linken, war sie erschrocken
gewesen, dass sie sich tatsächlich wieder zu Hause fühlte. Eine winzige Sehnsucht war gestillt worden, ein kleines huschendes
Glück raubte ihr in der ersten Nacht auf der väterlichen Burg den Schlaf.
Aber am nächsten Morgen hatte sie Sehnsucht und Glück überwunden, es gab nur noch helle Empörung. »Arminius wird mich zurückholen!
Verlass dich drauf! Warum lässt du es auf einen Krieg zwischen der Eresburg und der Teutoburg ankommen? Wir müssen zusammenhalten,
das ist jetzt wichtiger als je zuvor!«
»Soll meine Tochter für die Fehler eines Mannes büßen, der so verrückt ist, sich gegen die Römer zu stellen?« Segestes hatte
seine Tochter auf einen Schemel gedrückt und Amma angewiesen, ihr warme Milch mit Honig zu reichen. Dass Thusnelda |316| wieder aufsprang und die Honigmilch zurückwies, kümmerte ihn nicht. »Germanicus ist auf dem Vormarsch. Was meinst du, was
er mit dir machen wird, wenn er Arminius besiegt hat? Er wird anschließend die Teutoburg stürmen! Und was dann mit dir geschieht,
kannst du dir wohl denken. Du bist hier, weil du auf der Eresburg sicher bist! Du und mein Enkelkind!«
»Wir sind alle Cherusker«, versuchte Thusnelda es noch einmal. »Du genauso wie Arminius. Wenn Germanicus sich rächen will,
dann nicht nur an Arminius, sondern an allen Cheruskern.«
Darauf antwortete Segestes nicht. Er redete überhaupt sehr wenig, folgte seiner Tochter aber häufig mit den Augen und schien
sich ihrer Anwesenheit in jedem Augenblick bewusst zu sein. Thusnelda fühlte sich nicht wohl unter diesem Blick, hatte Angst
davor, dass er wieder besitzergreifend werden würde, dieser Blick, dass ihr Vater über kurz oder lang nicht nur Sicherheit
bieten, sondern auch wieder Gehorsam verlangen würde. Das Warten auf Arminius fiel ihr schwer, von Stunde zu Stunde mehr,
aber die Hoffnung gab ihr die Kraft dazu. Die Hoffnung, dass er unversehrt zurückkehren würde, und ebenso die Hoffnung, dass
die Sicherheit, die ihr Vater bot, zur Versöhnung führen würde. Dass sie wieder auf der väterlichen Burg war, dass sie neben
ihrem Vater am Feuer saß und sein Brot aß, zeigte das nicht, dass auch er sich Versöhnung wünschte? Nur daran wollte sie denken.
Mit der Versöhnung wurde dem bösen Omen die Macht genommen. Und mit dem Glück, das sie ihrem Vater schenkte, indem sie bereitwillig
in der Eresburg ausharrte, würde sie alles wiedergutmachen, was sie ihm angetan hatte.
»Hast du mal daran gedacht«, fragte sie am Abend, »dass ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben wäre, wenn ich Fürst Aristan
geheiratet hätte? Die Semnonen sind von den Römern vernichtet worden.«
Segestes antwortete nicht, starrte nur ins Feuer und rieb die Handflächen aneinander, als wollte er sie wärmen. Der Herbst
war ins Land gezogen, die Tage waren noch hell und mild, aber am Abend schlich die Kälte ums Haus.
|317| »Ob du immer noch ein Freund der Römer wärst, wenn ich ihnen zum Opfer gefallen wäre?«, fragte Thusnelda weiter.
Segestes antwortete auch diesmal nicht. Er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein. Thusnelda fragte nicht, welchen Erinnerungen
er nachhing, sie war zufrieden mit seiner Nähe und der Ruhe, die zwischen ihnen stand. Ja, sie fühlte sich bereits mit
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