Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau des Germanen

Die Frau des Germanen

Titel: Die Frau des Germanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
Angehörigen in den Raum gehen, in dem sich die Urne mit der Asche des Kaisers
     befand.
    Augustus hatte das Grabmal nicht nur für sich, sondern für seine ganze Familie errichten lassen, und er war nicht der Erste,
     der hier bestattet wurde. Schon kurz nach der Fertigstellung war sein Neffe Marcellus beigesetzt worden, später auch seine |324| Enkel, die Söhne seiner Tochter Julia, in die er so große Hoffnungen gesetzt hatte.
    Während sie den Vorraum betraten, sagte Agrippina leise: »Ich mache mir Sorgen. Die Kuriere haben gemeldet, dass Germanicus
     weit ins Land der Barbaren eingedrungen ist. Aber einen wirklichen Sieg hat er nicht errungen. Arminius hat ihn zurückgedrängt,
     ohne ihn jedoch zu schlagen. Die Verluste sind anscheinend auf beiden Seiten gleich groß.«
    Severina beobachtete Kaiser Tiberius, der sich auf einer der gemauerten Ruhebänke niederließ. »Wo befindet sich Germanicus
     jetzt?«, fragte sie.
    Agrippina hob unglücklich die Schultern. »Wenn ich das wüsste! Ein Bote hat die Nachricht gebracht, dass er sich zurückziehen
     musste, weil Arminius wieder einmal im Vorteil war. Der kennt ja jede finstere Ecke seiner Heimat. Die Schlacht war damit
     entschieden, aber einen Sieger gab es nicht.«
    Severina runzelte ungeduldig die Stirn. »Wenn Germanicus sich zurückgezogen hat, kann es kein Geheimnis sein, wo er Quartier
     bezogen hat.«
    »Das ist ja das Merkwürdige! Der nächste Bote hat die Nachricht gebracht, dass Germanicus erneut aufgebrochen ist. Niemand
     weiß, in welche Richtung er mit seinen Einheiten marschiert ist. Und vor allem, warum! Seitdem gibt es keine Nachrichten.«
     Sie warf Tiberius einen scheuen Blick zu. »Ob der neue Kaiser mehr weiß?«
    Tiberius gab Agrippina und Severina einen Wink, sie sollten sich zu ihm setzen. Severina folgte ihm ungern, sie hätte lieber
     darüber gewacht, dass Silvanus seine Aufgabe, die Veilchen für seinen Urgroßvater zu verstreuen, perfekt erledigte.
    Sie bedachte Gaviana mit einem scharfen Blick. Sollte Caligula, wenn er seinen kleinen Opferkranz niederlegte, mehr Rührung
     auf den Gesichtern der Anwesenden erzeugen als Silvanus, dann würde ihre Sklavin die Peitsche zu spüren bekommen!
    Livia, Tiberius’ alte Mutter, rückte unwillig zur Seite, als der Kaiser darauf bestand, Severina und Agrippina an seiner Seite |325| sitzen zu haben, aber sie verzichtete auf jeden Widerspruch. Tiberius ließ sich, wie es seine Art war, Zeit damit, das Gespräch
     zu eröffnen. Lange betrachtete er die gegenüberliegende Wand, ehe er das Wort an Agrippina richtete: »Germanicus hat eine
     merkwürdige Mission erfüllt.«
    Auf Agrippinas Miene zeigte sich Hoffnung, mit großen Augen sah sie Kaiser Tiberius an. Severina war sicher, dass sie ihn
     gern gedrängt hätte, aber ein Kaiser ließ sich natürlich nicht drängen. Agrippina musste warten, bis er in seiner langsamen,
     umständlichen Art endlich verraten hatte, was er von Germanicus wusste.
    »Ein Bote hat mir soeben die neuesten Nachrichten gebracht«, sagte er und sah sich um, als hätte er vor, zunächst die Häupter
     seiner Lieben zu zählen, ehe er Agrippina die Ungewissheit nahm.
    Severina konnte beobachten, wie sich der Schweiß auf Agrippinas Stirn sammelte und ihre Finger einen schnellen Rhythmus auf
     ihren Oberschenkeln schlugen.
    »Germanicus ist von Fürst Segestes um Hilfe gebeten worden«, fuhr der Kaiser bedächtig fort. »Dessen Burg wurde von Arminius
     und seinen Mannen belagert.«
    Severina saß mit einem Schlage aufrecht da. »Warum?«
    Der Kaiser schenkte ihr nur einen tadelnden Blick und dachte nicht daran, ihren vorlauten Einwurf zu beachten. Konsequent
     sah er nun ausschließlich Agrippina ins Gesicht. »Segestes ist immer ein Römerfreund gewesen und stand nie auf Arminius’ Seite.
     Anscheinend rechnet er damit, dass die Germanen uns über kurz oder lang unterliegen werden. Er weiß, dass der Sieg gegen Varus
     lediglich eine Folge unglücklicher Umstände gewesen ist. Nun will er rechtzeitig seine Position stärken.« Lächelnd betrachtete
     er Agrippina, der jetzt der Schweiß an der Schläfe herunterlief. »Das ist verständlich, oder?«
    »Ja, völlig verständlich«, flüsterte Agrippina, doch Severina war sicher, dass sie gar nicht wusste, wovon sie redete.
    »Segestes hat beschlossen, sich mit seiner Familie unter römischen Schutz zu stellen. Er fürchtet sich vor der Gewalt des |326| eigenen Volkes und beruft sich darauf, dass er Varus vor Arminius

Weitere Kostenlose Bücher