Die Frau des Germanen
du darauf gehofft? Hoffst du womöglich immer
noch darauf?« Ihr böses Lachen schien den ganzen Raum zu füllen. Thusnelda hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. »Arminius’
Weibchen! Klammert sich an eine Erinnerung! Wartet auf ihren Gemahl!« Wieder dieses Lachen! Dieses schreckliche, grausame
Lachen! »Er hat dir nie allein gehört! In Wirklichkeit hat er eine andere geliebt. Deswegen wird er auch |381| nie kommen, um dich zu befreien. Und dein Sohn? Der interessiert ihn nicht. Er hat einen anderen Sohn! Sein Erstgeborener!
Nur auf den kommt es an!« Noch einmal lachte sie, dann drehte sie sich um und verließ den Raum, gefolgt von der Sklavin, die
sich aufgeregt um den Saum ihrer Tunika kümmerte.
Thusnelda war starr vor Entsetzen. Als Gaviana ihr Versteck in der Küche verlassen hatte und sich wieder neben sie hockte,
war sie noch zu keiner Bewegung fähig. »Ich wollte ihn im Arm halten, wenn Arminius kommt, um uns zu befreien«, flüsterte
sie schließlich. »Wie soll er Thumelicus finden, wenn er mich holen kommt?« Sie starrte Gaviana mit großen Augen an. »Warte
ich wirklich vergeblich? Hat er eine andere geliebt? Hat er nie mir allein gehört? Und Thumelicus …« Sie schluchzte auf, aber
ihre Augen blieben trocken. Sie tastete zu ihrem Hals, als säße dort ein Schmerz, der ihr die Luft abdrückte. »Und warum will
sie ihm das Muttermal herausschneiden? Warum sollen ihm diese Schmerzen zugefügt werden?« Ihre Stimme wurde immer lauter,
immer schriller. »Warum? Warum wird Arminius nicht kommen? Woher weiß sie das?«
Gaviana wartete lange, bis sie antwortete: »Hast du wirklich nie bemerkt, dass Silvanus genau das gleiche Muttermal an genau
der gleichen Stelle hat?«
Die letzten Wochen und Monate waren quälend langsam vergangen. Aber nachdem die Nachricht der geheimnisvollen Frau die Teutoburg
erreicht hatte, war es Inaja zunächst so vorgekommen, als hätte jemand die Zeit angestoßen und zum Laufen gebracht. Arminius
veränderte sich zusehends, er schöpfte Hoffnung, kümmerte sich wieder um Haus und Hof und pflegte sich, wie er es früher getan
hatte. Während sein Haar noch an dem Tag, an dem die Nachricht eintraf, wie helles Gras, das auf dem Feld vergessen worden
war, auf seine Schultern wuchs, so flocht er es schon am nächsten Tag wieder zu einem Suebenknoten, wie es bei freien Germanen
üblich war.
Dann aber lief die Zeit wieder langsamer, das Warten wurde |382| schwer. Die Frage, wie lange es dauern würde, hemmte den Lauf der Tage aufs Neue, und Hermuts Sorge tat ein Übriges. Nach
einigen Wochen der Zuversicht und Hoffnung schleppte sich die Zeit wieder dahin, und die Frage »Wann wird es so weit sein?«
machte das Warten unerträglich. Am Ende wünschte Inaja sich, die Nachricht der Römerin wäre nie eingetroffen.
Arminius jedoch klammerte sich an diese einzige Hoffnung, die ihm geblieben war. Alle anderen Spuren waren ja im Sande verlaufen.
Vorsichtig hatte er nach Thusneldas Entführung alte Kontakte in Rom wieder aufleben lassen, hatte Händler mit der Suche nach
Thusnelda beauftragt und jedem reichlich Belohnung versprochen, der nach Rom unterwegs war und die Gelegenheit hatte, nach
Thusneldas Verbleib zu forschen. Alles vergeblich! Auch von Flavus war keine Nachricht gekommen. Bei seinem Abschied von der
Teutoburg hatte er zwar versprochen, alles zu tun, damit Thusnelda befreit wurde, aber seitdem hatte niemand etwas von ihm
gehört.
Inaja war die Einzige, die das nicht wunderte. Sie wusste ja, warum Flavus in seine Heimat gekommen war. Nicht, um Arminius
zu helfen, o nein! Ihm kam es anscheinend nicht in den Sinn, dass sein Bruder ihm niemals gefällig sein würde. Erst recht
hielt er es nicht für möglich, dass Flavus ihm nach dem Leben trachtete. Wie sollte er auch? Liebe und Vertrautheit hatte
es zwischen den Brüdern zwar nie gegeben, aber diesen Hass konnte sich nicht einmal Inaja erklären. Warum Flavus den Tod seines
Bruders wollte, war ihr ein Rätsel.
Dann aber kam wieder eine Nachricht. Ein Händler brachte sie, dem sie angeblich im Hause eines Bauern, bei dem er übernachtet
hatte, anvertraut worden war. »Dort war kaum noch Platz für mich«, berichtete er. »Ein Händler mit großem Gefolge hatte sich
dort breitgemacht. Und er hat mir viel dafür geboten, dass ich Euch diese Nachricht bringe.« Er streckte Arminius eine Papyrusrolle
hin. »Das Gleiche bekomme ich noch einmal, wenn ich
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