Die Frau des Germanen
verharrte in dieser Stellung, als starrte
er die Menschen an, die seiner Verbrennung beiwohnten.
Entsetzt floh Inaja in die Nähe der Bäume, weit genug weg, um Fürst Segimers Antlitz nicht mehr erkennen zu müssen. Sie lehnte
sich an einen Baum und atmete auf, als der Scheiterhaufen derart loderte, dass sein Kern, der Leichnam des Fürsten, kaum noch
zu erkennen war.
In diesem Augenblick griff ein Arm von hinten um ihren Hals und umklammerte sie mitsamt dem Baum, an dem sie lehnte. Inaja
erschrak, dennoch wehrte sie sich nicht. Sie rührte sich nicht einmal, als eine Hand ihre Fibel löste und dann grob nach ihrer
Brust griff. Zwei Hände waren es nun, zwei Daumen und Zeigefinger, die ihre Brustwarzen pressten und rieben. Vor Schmerz traten
ihr die Tränen in die Augen, aber Inaja blieb trotzdem stehen und rührte sich nicht. Sie schloss die Augen und lächelte sogar.
4.
D ie Benutzung der Therme war ausschließlich dem Kaiser und seiner Familie vorbehalten. Augustus achtete streng drauf, dass
Frauen und Männer getrennt badeten, was in den öffentlichen Bädern Roms keineswegs die Regel war. Die kaiserliche Therme war
ein prächtiger, mit Mosaiken geschmückter Marmorpalast, der einen Warm- und einen Heißraum, das Tepidarium und das Caldarium,
enthielt, außerdem das sogenannte Frigidarium, den Kaltwasserraum, und darüber hinaus ein offenes Schwimmbecken, eine Sporthalle
und die nötigen Umkleideräume. Besonders stolz war Kaiser Augustus auf das Heizsystem seiner Therme. Die Luft wurde in einem
Ofen erhitzt, unter den Fußboden geleitet und dann durch Hohlräume in den Wänden in die Räume geführt. Ein aufwändiges Unterfangen,
um das ständig unzählige Sklaven bemüht waren.
|72| Severina begab sich fast jeden Nachmittag in die Therme, um zu baden, zu schwimmen, sich waschen, einölen, enthaaren zu lassen
und sich mit körperlichen Übungen kräftig, beweglich und schlank zu erhalten. Häufig traf sie dann ihre Schwägerin, die die
gleichen Gewohnheiten hatte. Auch ihre Schwangerschaften hatten daran nichts geändert. Severina wusste, dass andere Damen
der kaiserlichen Familie, wenn sie schwanger waren, die Therme nur noch betraten, um sich anschließend von dem Weg ins Tepidarium
zu erholen. Aber bei Agrippina war das anders. Sie absolvierte täglich ihre Übungen mit Hanteln und Gewichten und hörte erst
damit auf, wenn ihr Gemahl es ihr untersagte. Germanicus war der Überzeugung, dass die Freiübungen seiner Gattin ungesund
waren und dem ungeborenen Kind schadeten.
Severina traf Agrippina im heißen Dampfbad, einem hohen Raum mit einer gläsernen Kuppel, die im Bedarfsfall zum Lüften geöffnet
werden konnte. Anzüglich betrachtete sie den leicht gewölbten Leib ihrer Schwägerin, ehe sie sie freundlich begrüßte. »Ich
hoffe, du fühlst dich wohl? Wie weit ist deine Schwangerschaft mittlerweile fortgeschritten?«
Agrippina winkte ab. »Ich bin erst im fünften Monat. Die Zeit des Unwohlseins ist vorbei. Ich kann nun wieder alles essen,
ohne zu erbrechen.«
Severina ließ sich ihren Ekel nicht anmerken. Sie winkte eine Sklavin herbei, die ihren Körper mit Olivenöl einreiben sollte.
Dann legte sie sich zurück, schloss die Augen und hoffte, dass Agrippina den Hinweis verstehen und ihr kein Gespräch aufzwingen
würde.
Aber nach einer kurzen Zeit der Stille, die in Severina schon Hoffnungen geweckt hatte, sagte Agrippina: »Du siehst müde aus.
Fühlst du dich nicht gut?«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Severina zurück, ohne die Augen zu öffnen. »Mir geht es gut. Und dass du mein Aussehen kritisierst,
betrachte ich als Beleidigung.« Sie lächelte, damit Agrippina erkannte, dass sie gescherzt hatte.
|73| Anscheinend jedoch hielt ihre Schwägerin die Augen ebenfalls geschlossen, denn sie antwortete erschrocken: »Vergib mir, Severina!
Ich wollte dich nicht kränken.«
»Schon gut«, gab Severina ärgerlich zurück. Sie wurde immer ungehalten, wenn sie einen Menschen vor sich hatte, den sie auszeichnete,
indem sie ihm einen Scherz gönnte, und der ihn dann nicht verstand. Ein Mann, der nicht über ihre Scherze lachte, sondern
sie ernstnahm, hatte auf der Stelle im Ringen um ihre Gunst verloren.
»Geht es dir nicht gut, weil Arminius in Germanien ist?«, fragte Agrippina.
Severina wurde wütend. »Habe ich dir nicht gesagt, dass es mir ausgezeichnet geht?«
Agrippina setzte sich auf und schickte die Sklavin weg, die sich gerade
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