Die Frau des Polizisten
ehemaligen Kollegen. Aber man musste den Tatsachen ins Auge sehen.
Bengt sagte nichts. Er betrachtete sie finster.
»Göran arbeitet auch bei der …«, setzte Erika an, verstummte aber jäh, als Bengt ihre Erklärung mit einem Zug offensichtlicher Missbilligung um den Mund abtat.
»Ich weiß, Erika. Dein Mann war hier und hat es mir erzählt. Und ich bin bestürzt, ehrlich bestürzt, dass du mir das nicht früher erzählt hast, weitaus früher! Ich bin mir wohl bewusst, dass das nichts mit deiner beruflichen Kompetenz zu tun hat, aber aus welchem Grund dachtest du, dass ich nicht erfahren müsse, was vorgefallen ist?«
Bengt verzichtete auf den Rest, den er noch hatte sagen wollen, stöhnte hörbar, schlug eine Handfläche gegen die Stirn und rieb sich über den Kopf, dass die stoppeligen Haare knisterten.
Erika schloss die Augen, ein kräftiger Schwindel erfasste sie – sie hatte geschwiegen. Nicht bewusst, aber sie hatte das vor sich hergeschoben, was sie sofort hätte ansprechen müssen. Sie konnte es auf ihre Erschöpfung, ihre Angst, auf wer weiß was schieben. Aber das war keine Entschuldigung, es war unprofessionell gewesen – unprofessionell und feige.
»Ich weiß, dass es keine Entschuldigung dafür gibt. Ich hätte dir sofort alles erzählen sollen. Aber …« Erikas Stimme klang hohl, als ob sie aus einem tiefen Brunnenschacht käme.
»… ich hab mich geschämt!«
Bengt lehnte sich auf dem Stuhl zurück, der leise knarrte, und verschränkte die Arme vor der Brust, während er schweigend überdachte, was sie soeben gesagt hatte. Er betrachtete den Gipsarm, deutete beinahe unmerklich darauf und erhielt ein leichtes Nicken zur Antwort. In der Loipe war sie also nicht gestürzt. Zum Teufel aber auch … Er war innerlich zerrissen. Ein Teil von ihm sah eine Misshandlung und eine gehetzte Frau vor sich, eine Kollegin, die er vom ersten Augenblick an gemocht hatte, die unerschrockene und professionelle Mitarbeiterin, die er gesehen zu haben glaubte, als er ihr die Vertretungsstelle angeboten hatte. Und er wusste sehr wohl, wie man mit einer misshandelten Frau umging. Die Scham und die Angst waren bei ihr ja nicht anders, nur weil sie Polizistin war.
Der andere Teil sah eine ganz andere Version dessen, was sich zugetragen hatte, und diese Ursache für ihre Flucht und ihre Verletzungen war alles andere als schmeichelhaft. Der hochgewachsene Polizist hatte auf ihn den Eindruck gemacht, dass er ernstlich um seine Frau besorgt war und ihr helfen wollte.
»Ich bin furchtbar enttäuscht darüber, dass du mir gegenüber nicht aufrichtig warst. Ich habe versucht, es dir gegenüber zu sein«, knurrte Bengt zwischen den Zähnen hindurch. Erika schwieg und konnte nur zustimmend nicken.
»Hast du Angst vor ihm?«, fragte Bengt schnell. Erika leckte sich die Lippen. Sie wollte sagen, dass sie keine Angst habe, dass sie sich in der Gruppe sicher fühlte und sie starksei. Aber die versteckte Furcht, die sie empfand, besagte etwas ganz anderes.
»Ich fühle mich hier gut aufgehoben in Gesellschaft meiner Kollegen. Aber es ist kein schönes Gefühl, dass er hier war«, antwortete sie schnell.
»Hm, ich verstehe. Aber ihr müsst euch einigen. Ihr seid schließlich immer noch vertraglich aneinander gebunden. Und was immer das ist, das du ihm zufolge getan haben sollst, ich möchte, dass du es unverzüglich mit Pernilla Krans in Stockholm besprichst. War das deutlich genug?«
Bengt musterte das verkrampfte blasse Geschöpf vor sich. Was sollte er nur machen, verflucht?
»Wir finden eine gemeinsame Lösung, Erika«, sagte Bengt. Er versuchte, seiner Stimme einen beruhigenden Ton zu verleihen, hörte aber selbst, wie fadenscheinig das klang. Er erhob sich und stellte sich neben sie. »Danke«, flüsterte Erika mit gesenktem Blick.
»Fein«, sagte Bengt und versuchte ein aufmunterndes Lächeln. Unbeholfen tätschelte er ihre Schulter.
»Ach ja, dein Mann hat eine Tasche für dich dagelassen, mit Kleidung und Dingen, die du vielleicht gebrauchen könntest, wie er meinte«, fügte Bengt hinzu.
Erika sah ihren Chef verblüfft an. Sie stand schwerfällig auf, nahm die Reisetasche und verließ mit einem leisen Dankeschön das Zimmer.
Nachdem sie gegangen war, schloss Bengt die Tür und setzte sich wieder hinter den Schreibtisch. Er ließ eine Serie von Flüchen los und wählte die Nummer von Erikas ehemaliger Chefin in Stockholm.
Kapitel 21
Per schloss die Wohnungstür auf und ließ die Sporttasche zu Boden
Weitere Kostenlose Bücher