Die Frau des Polizisten
Das hatte Tomas gesagt. Jetzt, bald … würde sie sterben. Er musste hin. Morgen würde er fahren. Oder übermorgen? Nein, so schnell es nur ging. Verflucht aber auch! Er hatte keine Winterreifen aufgezogen, er bewegte die Schrottkarre ja kaum. Per schenkte sich nach und ergriff mit derselben Bewegung die ganze Flasche, knipste die Stehlampe an und sank in seinen verschlissenen Corbusierstuhl. Der Nebel hatte sich in dichten Sprühregen verwandelt, und der Himmel wurde immer dunkler. Die Leere in ihm ließ sich nicht mit Alkohol füllen, er schien einfach nur durch die Kehle zu rinnen, sich hineinzubrennen und zu verdunsten. Morgen, dachte er. Morgen regle ich das mit den Reifen und fahre nach Östersund.
Kapitel 22
Erika wurde wach. Sie hatte sich gerade im Bett umdrehen wollen, als sie plötzlich erstarrte. Etwas hatte sie im Schlaf gestört, ein fremdes Geräusch, etwas, das sich von den sonstigen Geräuschen unterschied. In der Vasastaden war es nie richtig still, ständig das Rauschen des Verkehrs, Stimmengewirr, Geschepper und das Rattern, wenn die Straßenbahn bei der Handelshögskolan abbog.
Sie hielt den Atem an. Konzentriert lauschte sie und suchte nach ihrem Handy, um auf die Uhr zu gucken. Etwas knarrte im Flur, ein leises Rascheln von Kleidung war zu hören, dann die Kühlschranktür, die mit einem Schmatzen aufging, und leises Klirren.
Erika atmete auf. Vermutlich suchte Krister im Kühlschrank nach etwas zu trinken. Sie sank zurück aufs Kopfkissen, betrachtete den kalten bunten Lichtschein, der durch den Spalt zwischen dem Fenster und dem Rollo fiel, und den langen, ovalen Schatten, den die Stuckrosette an die Decke warf.
Die Reisetasche, die Göran im Polizeigebäude gelassen hatte, hatte sie erst hier ausgepackt. Was sie erwartet hatte, konnte sie eigentlich nicht sagen, sie war nur voll kindlicher Vorfreude gewesen, als sie den Reißverschluss aufgezogen und den Duft ihres Parfüms gerochen hatte. Als sie die ersten Kleidungsstücke herausgenommen hatte, war sie mit einem Schlag ernüchtert gewesen.
Ihre schönsten Partykleider, Blusen, Kostüme, lange Kleider und Dessous bildeten ein Knäuel und waren zerrissen oder zerschnitten. Und die zunächst so zarten Düfte ihrerLieblingsparfüms hatten sich plötzlich in eine erstickende Wolke übler Gerüche verwandelt.
Die Parfümflaschen hatten geöffnet oder zerbrochen auf dem Boden der Tasche gelegen, sie waren ausgelaufen und von der Kleidung und der Tasche aufgesogen worden. Anna hatte ihr geholfen, den Inhalt zu sortieren, um zu schauen, ob noch etwas von ihrer Kleidung zu retten war, aber sie hatten alles wegwerfen müssen.
Anna hatte die Sache mit Humor genommen: »Wohlriechenderen Müll wirst du in der Stadt kaum finden.« Aber sie hatte mit ihrem fröhlichen Lächeln ihre angeekelte und schockierte Miene nicht vertreiben können. Erika fuhr zusammen, sie spürte einen Luftzug neben ihrem Bett. Die Tür glitt auf, und ein dunkler Schatten kam ins Zimmer, er verharrte regungslos. Sie hörte die Atemzüge, machte sich ganz steif und hielt den Atem an. Ein Klicken von Metall war zu hören, das zischende Geräusch, als eine Bierdose geöffnet wurde. Göran trat in den schmalen Lichtkegel, der vom Fenster hereindrang, kam einen Schritt näher, blieb stehen und trank in langsamen Zügen.
Sie konnte seine Augen im schwachen Dämmerlicht glänzen sehen. Er rülpste, verschüttete das restliche Bier auf dem Fußboden und ließ die Dose auf den Läufer fallen, trat ans Bett und beugte sich über sie. Sie registrierte den Geruch von Leder, einer leicht süßlichen Rasierwassernote, Seife und herbem Bier. Er rülpste ein weiteres Mal, ihr direkt ins Gesicht.
»Ich wollte nur mal schauen, ob es dir gutgeht, mein Liebling«, sagte er weich. Erika konnte hören, wie er lächelte. Er ließ sich langsam auf der Bettkante nieder und strich ihr langsam über die Wange. Sie rührte sich nicht, atmete nur flach und leise und ließ sein Gesicht nicht aus den Augen.
»Meine kleine Tigerin …« Er klang beschwipst. Ein Lichtstrahlvom Fenster erhellte sein Gesicht. Seine Pupillen waren geweitet und verschwommen, aber seine Mundwinkel waren verzerrt und ließen sein Lächeln steif und unnatürlich wirken.
»Ich wollte dir nur erzählen, dass es Boss nicht so gutgeht«, sagte er mit heiserer und belegter Stimme. »Etwas mit der Hinterpfote, nur damit du Bescheid weißt. Ich weiß ja, wie sehr dir das Tier am Herzen liegt, mein Schatz. Aber es geht ihm nicht
Weitere Kostenlose Bücher