Die Frau des Polizisten
konnten die Lage ja nur akzeptieren. Er hat die Zähne zusammengebissen und mitgespielt.«
Erika notierte »mitgespielt«. Wie und vor allem wie lange, hätte sie nur zu gerne wissen wollen. Aber die Frage hob sie sich für später auf.
»Stefano Canneto ist ein Kollege Ihres Mannes«, fügte Erika mit leichter Stimme hinzu.
Helene fuhr zusammen. Sie warf Erika einen schnellen, beunruhigten Blick zu, ließ dann aber wieder die Schultern sinken.
»Ja. Wir sind eng befreundet. Stefano und mein Mann haben sich schon zu Schulzeiten gekannt. Ihre Familien haben viele Jahre Kontakt gehalten. Stefano hat Toni auch überredet, hierher nach Schweden zu ziehen und mit ihm ein eigenes Unternehmen zu gründen.«
»Sie sprechen vom Architekturbüro EQ?«
»Ja«, antwortete Helene resigniert. Gedankenverloren pulte sie die abblätternde Farbe und den Mörtel von ihren Händen.
»Barbro ist auch Stefanos Sachbearbeiterin, nicht wahr?«, fragte Erika nach.
»Ja. Stefano ist schon ziemlich bald mit Barbro aneinandergeraten. Er ist nicht ganz so diplomatisch, wie mein Mann es war, sein italienisches Temperament. Deshalb fragen Sie doch, oder?«
Sie sah traurig zu Erika auf, die schwieg und darauf wartete, dass Helene weiterreden würde.
»Barbro hat ihm bei seinem Umbau ein paar kleinere Abweichungen vom Plan bewilligt«, fuhr Helene fort. »Wir haben ihn natürlich gewarnt. In einer Gegend wie dieser sind die Leute unglaublich empfindlich und erheben gerne Klage, um ihre Interessen zu wahren. Aber er hat nicht auf uns gehört. Und jetzt hat er zig Verfahren am Hals. Die ganze Nachbarschaft ist gegen ihn, und alle halten ihn für einen Betrüger, der seine Rolle als Geschäftsmann ausgenutzt und seine Kontakte spielen lassen hat. Er sitzt ordentlich in der Patsche und wird da wohl nie mehr rauskommen.«
Erika ließ sich einen flüchtigen Moment Helenes Worte durch den Kopf gehen. Konnte es sich so abgespielt haben? Dass Barbro Kunden mit Sondergenehmigungen entgegengekommen war, dass sie die Regeln gegen Geld ausgeweitet hatte, und wenn nicht gezahlt wurde, ja, dann damit hausieren ging und den Pöbel die Arbeit für sie machen ließ? Listig, ja geradezu genial …
»Und Sie … Sie werden also mit allen sprechen, die sich mit Barbro überworfen haben?«, fragte Helene grüblerisch. »Na, da werden Sie ja alle Hände voll zu tun haben.«
Kapitel 27
Erika warf die Jacke auf den Stuhl, stellte sich ans Fenster und starrte auf den geschwungenen Umriss des Ullevi-Stadions. Sie fühlte sich ausgelaugt nach ihrer Rundreise in den schwedischen Westen, und vor allem von ihrem letzten Besuch bei Jan Olof Olofsson. Der Anblick des ausgemergelten Mannes und die angstbesetzte Atmosphäre, die von ihm ausging, hatten ihr mehr zugesetzt, als sie zugeben wollte.
Per und sie hatten bei Jan Olof vorbeigeschaut, um ihn noch einmal genauer zu befragen.
Als er ihnen die Tür geöffnet hatte, war Erika erschrocken zurückgewichen. Sein ganzer Körper schien in kürzester Zeit von der Schwerkraft nach unten gezogen worden zu sein, so gebückt stand er vor ihnen. Seine Augen waren rotunterlaufen, er hatte starke Augenringe und war aschgrau im Gesicht. Zwar war er noch schick und gepflegt gekleidet, aber seine aufrechte Haltung hatte er verloren. Sie hatten sofort bemerkt, dass er nicht mehr ganz nüchtern war.
Als sie ihm ins Haus gefolgt waren, hatte er sich völlig ungeniert an den Küchentresen gesetzt und dem Whiskey weiter zugesprochen.
Sie hatten ihn nach Barbros Freundin Julia gefragt, doch Olof hatte bis auf eine einzige Begegnung und ein kürzlich geführtes Telefongespräch nie Kontakt zu ihr gehabt. Er hatte gehofft, dass seine Frau unterwegs bei ihrer Jugendfreundin hereingesehen und ganz einfach die Zeit vergessen hätte.
Sie hatten ihm Fragen zu Barbros Arbeit gestellt, was er über ihre Kunden wusste, aber zur Antwort erhalten, dass sie selten über ihre Arbeit sprächen und er daher nicht besondersviel darüber wisse. Vielleicht interessierte es ihn auch einfach nicht.
Erika war mit ihm mühsam Frage für Frage durchgegangen, hatte aber nur einsilbige Antworten erhalten oder war auf Schweigen gestoßen.
Jan Olof ging nicht zur Arbeit, er war krankgeschrieben. Abgesehen von gelegentlichen Einkäufen mit dem Auto schien er nichts zu unternehmen, er verfolgte nur, was im Internet und in der Presse über den Fall geschrieben wurde. Im Wohnzimmer lag ein Meer von Zeitungen mit riesengroßen Schlagzeilen über die vermisste
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