Die Frau des Praesidenten - Roman
Vaterfigur war er nicht für mich, sondern einfach der Ehemann meiner Mutter, ihr Lebensgefährte.)
»Alice?«, sagte Charlie, und ich antwortete: »Es wäre mir lieber, wenn du Ella jetzt abholen könntest. Ich möchte nicht, dass sie sich verunsichert fühlt.«
»Geht es ihr nicht gut?«
»Na ja, ich überlege, die Nacht bei meiner Mutter zu verbringen. Wir konnten Granny noch nicht besuchen, und ich möchte nicht gern nach Milwaukee zurückkommen, solange noch alles in der Schwebe ist.«
»Du hast nicht mal eine Zahnbürste dabei, oder?«, sagte er.
»Die kann ich mir kaufen.«
»Wenn du nach Hause kommst, kannst du jederzeit ins Auto springen und in, sagen wir mal, fünfunddreißig Minuten wieder dort sein.«
Das galt vielleicht für Charlies Fahrstil, aber nicht für meinen. Außerdem wusste ich, dass sein Wunsch, ich möge nach Milwaukee zurückkommen, weniger dem Verlangen entsprang, mich zu sehen, als – es war nicht abzuschütteln – seiner Angst vor der Dunkelheit. Mein Ehemann hatte Angst, die Nacht allein zu Hause zu verbringen. Je nach den Umständen fand ich diese Phobie entweder rührend oder ärgerlich. »Was hältst du hiervon«, sagte ich. »Ich rufe Jadey an, und du übernachtest mit Ella bei ihr.«
»Weißt du noch, wie deren gottverdammter Köter letztes Mal die ganze Nacht gebellt und mir das Gesicht abgeschleckt hat?«
»Charlie, meine Großmutter ist auf der Intensivstation. Du hast die Möglichkeit, zu Hause zu bleiben, bei Arthur und Jadey zu übernachten, oder du kannst gern mit Ella herkommen und die Nacht im Haus meiner Mutter verbringen. Wie wär’s, wenn ich dir ein paar Minuten Zeit gebe, um darüber nachzudenken, und dann rufe ich noch mal an?«
Er schwieg einen Augenblick, dann sagte er: »Nein, du hast recht, du hast ja recht. Ich hole Ella, und wenn du Jadey Bescheid sagen könntest, rufe ich Stuey an und sage ihm ab. Wie geht es deiner Mutter und Lars?«
»Es geht ihnen gut.«
»Und dir?«
»Mir auch«, sagte ich, obwohl ich in dem Moment, da ich diese Frage hörte, spürte, wie die Trauer von mir Besitz ergriff.
Dann sagte Charlie: »Ich weiß, dass du denkst, ich verbringe die Nacht nicht gern ohne dich, weil ich Angst habe. Aber es ist auch, weil ich dich vermisse, Lindy.«
»Willst du mit Ella herkommen?« Ich wusste, dass das unwahrscheinlich war. Bei seinem ersten Besuch in meinem Elternhaus in Riley hatte Charlie sich noch nichts davon anmerkenlassen, aber rückblickend glaube ich, dass es ihn schockierte, wie klein es war. In den darauffolgenden Jahren war er nach und nach weniger diplomatisch geworden. Er sagte zum Beispiel: »Mit Lars ein Badezimmer teilen zu müssen ist eine grausame und ungewöhnliche Bestrafung.« Selbst wenn wir unseren Urlaub dort verbrachten, übernachteten wir selten in meinem Elternhaus, und Charlie setzte sich immer dafür ein, dass meine Mutter, meine Großmutter und Lars zu Ostern oder Weihnachten zu seinen Eltern kamen. Zu Beginn unserer Ehe hatten sie das einige Male getan, aber sie schienen sich dort nicht besonders wohl zu fühlen. Ich war mir fast sicher, dass weder Priscilla noch Harold wussten, dass Lars bei der Post gearbeitet hatte, bevor er 1980 in den Ruhestand gegangen war, und ich hätte es zwar nicht geleugnet, erzählte es ihnen aber auch nicht. Es war eine Ironie des Schicksals, dass ihre Heirat mit Lars meine Mutter finanziell viel besser gestellt hatte. Sie hatte seit der Episode mit Pete Imhof das Thema Geld nie wieder angesprochen und hatte mit Lars sogar Ausflüge nach Myrtle Beach und nach Albuquerque gemacht.
»Ehrlich gesagt, ist es mir doch lieber, wenn wir zu Jadey und Arthur gehen«, sagte Charlie. »Bei deiner Mutter wären wir jetzt nur im Weg. Ruf mich an, wenn du irgendwas brauchst, und ruf in jedem Fall heute Abend an, bevor du schlafen gehst.«
»Ella ist morgen mit Christine verabredet, du müsstest also dafür sorgen, dass sie um zehn abholbereit ist. Und achte bitte darauf, dass sie nach dem Frühstück ihre Vitamine nimmt.«
»Du wirst doch rechtzeitig zum Abendessen bei Maj und Pee-Paw wieder da sein?«
Ich zögerte. »Lass uns darüber reden, wenn es so weit ist.«
Mir war klar, dass sich Charlie in dem Moment zurückhielt, mir zu sagen, wie wichtig meine Anwesenheit bei diesem Essen sei – was nicht stimmte, abgesehen davon, dass die Blackwells besonders stolz darauf waren, die Familie immer in voller Besatzung antreten zu lassen.
Ich sagte: »Charlie, ich bin sicher, deine
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