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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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Wange.
    Sie blinzelte ein paarmal und sagte: »Sie haben mir sehr scharfes Hühnchen zu essen gegeben, davon ist meine Kehle ganz trocken.«
    Wusste sie überhaupt, wer ich war? Ich sagte: »Soll ich dir einen Schluck Wasser geben?« Ein weißer Plastikkrug stand auf dem Tisch neben ihrem Bett und daneben ein avocadofarbener Plastikbecher mit Strohhalm. Ich setzte ihr den Strohhalm an die Lippen, und als sie trank, lief ihr ein kleines durchsichtiges Rinnsal aus dem Mundwinkel. Sie bekam über einen Tropf Flüssigkeit zugeführt, aber ich war mir sicher, dass meine Großmutter seit ihrer Aufnahme nichts zu essen bekommen hatte, weder scharf gewürztes Hühnchen noch sonst irgendetwas.
    Als sie fertig getrunken hatte und sich in ihr Kissen zurücklehnte, sagte sie: »Auf dem Dach spielen sie um Geld, weißt du?«
    Ich zögerte. »Wer?«
    Sie nickte wissend. »Na,
sie

    Ich legte eine Hand auf meine Brust. »Ich bin es, Alice. Granny, du bist im Krankenhaus, aber es geht dir schon besser, und ich bin hergekommen, um dich zu besuchen.«
    Sie sah mich entsetzt an. »Glaubst du, ich weiß nicht, wer du bist? Ich bin doch nicht
senil
!« Dann zeigte sie mit dem Finger auf mich. »Warum trägst du Dorothys Bluse? Damit siehst du richtig ältlich aus.«
    Ich lächelte. »Ich habe ungeplant eine Nacht in Riley verbracht, also hat Mom sie mir geliehen.«
    »Du solltest Sachen tragen, die mehr zu deinem Alter passen.«
    »Granny, wie fühlst du dich? Sag mir unbedingt Bescheid, wenn du dich lieber ausruhen möchtest.«
    Sie antwortete nicht gleich, sondern sah sich im Zimmer um und sagte dann: »Ich habe gerade an deinen Vater gedacht.«
    Angst stieg in mir hoch. Zwar war ich alles andere als sicher, dass es einen Himmel gab, aber es schien durchaus vorstellbar, dass sie mit
an ihn gedacht
auch gemeint haben könnte, sie habe
mit ihm kommuniziert
oder sei
von ihm gerufen worden
. Alles, was mir zu sagen einfiel, war: »Ach?«
    »Er war Dorothy treu ergeben«, sagte meine Großmutter. »Ich habe die Ehe deiner Eltern viele Jahre lang beobachten können und habe erlebt, wie sehr sie einander zugetan waren.« Sie sah mich forschend an. »Wie heißt dein Mann?«
    Ich schluckte. »Charlie. Charlie Blackwell.«
    »Stimmt, der Sohn des Gouverneurs. Ihr beiden seid einander auch sehr zugetan.«
    Ich bemühte mich um ein Lächeln. »Ich hoffe es zumindest.«
    Sie bedachte mich mit einem verschlagenen Blick. »Das klang etwas lau.«
    »Nein, ich wollte nicht … es ist nur … In letzter Zeit trinkt er mehr, als er sollte«, brachte ich endlich heraus.
    Sie machte eine wegwerfende Handbewegung oder versuchte es zumindest, aber mit der Kanüle in ihrer Armbeuge war sie nicht so beweglich wie sonst. »Halte ihn nicht an der kurzen Leine, meine Liebe. Das rächt sich immer.«
    »Oh, das tue ich gar nicht, eher im Gegenteil.«
    »Du bist nicht streng mit ihm?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht ist das gerade das Problem, dass er sich wünscht, du wärst strenger.«
    Ich zögerte. War dies wirklich die Zeit und der Ort, um mir meine Sorgen von der Seele zu reden? Aber meine Großmutter hatte es schon immer geliebt, sich über andere Leute auszutauschen, und sie war offensichtlich sehr an dem Thema interessiert. »Das klingt vielleicht unsinnig, aber ich glaube, er macht so eine Art Midlife Crisis durch. In ein paar Wochen ist das zwanzigste Jahrgangstreffen seines College, und er macht sich offenbar Sorgen, ob er sich mit seinen Kommilitonen messen kann.«
    »Er war in Harvard«, sagte meine Großmutter in einem merkwürdigen Tonfall – es klang, als redete sie gar nicht von meinem Mann, sondern wollte mir gegenüber mit jemand anderem prahlen.
    »Es stimmt schon, dass er auf einer Hochschule an der Ostküste war, aber es war Princeton. Wie auch immer, ich vermute, dass er sich erhofft hatte, inzwischen mehr erreicht zu haben. Er stammt aus einer sehr erfolgreichen Familie, wie man an seinem Großvater und seinem Vater sieht, und bestimmt erinnerst du dich, dass sein Bruder Ed Kongressabgeordneter ist.« Ich war mir alles andere als sicher, dass sie sich daran erinnerte, aber sie nickte, während ich sprach. »Aber ich glaube einfach nicht, dass es Charlie bestimmt ist, ein Wirtschaftstitan oder ein Politiker zu werden. Es ist auch nicht so, dass mir das etwas ausmachen würde – dafür habe ich ihn nicht geheiratet. Er ist so humorvoll und lebenslustig, er hat viele Freunde, ist ein fabelhafter Vater, und ich – ich verstehe

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