Die Frau des Praesidenten - Roman
Besuchern nie chaotisch, und wenn ein Zuschauer sich betrank und gegen die Regeln verstieß, wurde er von den Ordnern nach draußenbegleitet. Es gefiel mir, wie man sich im Stadion unterhalten konnte, aber nicht musste, und ich beobachtete gern die Leute (die Familien mit Kindern wie wir, die jugendlichen oder mittelalten Pärchen, die Gruppen von Endzwanzigern oder Anfangdreißigern, die Männer, die allein hierherkamen und deren Anblick ich immer rührend gefunden hatte, zumindest bevor Charlie einer von ihnen geworden war, auf Ellas und meine Kosten, wie ich fand). Mir gefielen der gemeinsame Jubel und die uralten Rituale, die vertrauten Lieder und die einfachen Freuden wie ein Hotdog mit Bier an einem sonnigen Nachmittag. Das Einzige, das mir an Baseballspielen nicht gefiel, war die Situation, wenn ein ins Aus geschlagener Ball oder ein Home Run auf der Tribüne landete und eine Rangelei ausbrach – wenn nur einer bekam, was so viele wollten. Aber im Allgemeinen waren Baseballspiele für Charlie aufregend genug, dass er sich nicht langweilte, und zugleich entspannend genug für mich. Ella wiederum hatte ihre ganz eigenen Gründe, gern hinzugehen – ihre japanische Brieffreundin war ein leidenschaftlicher Fan dieser Sportart, was auch ihr eigenes Interesse daran gesteigert hatte, und sie liebte die kleinen Brewers-Mützen aus Plastik, in denen im Stadion das Eis serviert wurde und die man mit nach Hause nehmen durfte –, aber die Hauptsache war, dass sie Spaß daran hatte, dass wir alle Spaß daran hatten.
Zu Beginn des vierten Innings stand es 4:1 für die Brewers, und Charlie schien die Zwistigkeiten mit seinen Brüdern vollkommen vergessen zu haben. In dem Moment tauchte Zeke Langenbacher auf. Zeke war ungefähr zwanzig Jahre älter als Charlie und ich und stand in dem Ruf, der reichste Mensch in Milwaukee zu sein, vielleicht sogar in ganz Wisconsin. Er hatte die Highschool abgebrochen und seine Laufbahn als Milchausträger begonnen, hatte mit fünfundzwanzig seine erste eigene Meierei besessen und dann seine Geschäfte auf Autoversicherungen, Radiosender und Motels ausgeweitet. Ich war ihm einige Male begegnet und immer davon ausgegangen, dass er sich anschließend nicht an meinen Namen erinnern würde; umso angenehmer überrascht war ich, wenn er es dann dochtat. Charlie und er spielten gelegentlich zusammen Tennis – Zeke war als exzellenter und ziemlich aggressiver Spieler bekannt –, und ich glaube, diese Partien erfüllten Charlie mit großem Stolz, auch wenn er sie verlor. »Zeke ist eine verdammt große Nummer«, sagte er danach einmal zu mir, »ein richtiger Industriekapitän.«
Nachdem er mich begrüßt hatte und Ella vorgestellt worden war, wies Zeke auf den leeren Platz neben Charlie. »Sitzt hier schon jemand?«
Charlie klopfte mit der flachen Hand darauf. »Wir haben ihn für dich frei gehalten.« Zeke hatte selbst Dauerkarten für Plätze, die ein paar Reihen vor unseren lagen – das Country Stadium hatte keine VIP-Kabinen, was für mich einen Teil seines Charmes ausmachte –, und ich hatte ihn zu Beginn des Spiels mit zwei anderen Männern dort unten sitzen sehen.
Ella saß zwischen Charlie und mir, und Zeke hatte sich auf Charlies andere Seite gesetzt, so dass ich nicht mitbekam, worüber sie sprachen. Es überraschte mich, dass er bis in das siebte Inning hinein blieb; die Brewers hatten inzwischen drei weitere Runs geschafft. Ich ging mit Ella zu den Toiletten, und wir stellten uns in die Warteschlange vor einem Imbissstand, um Pommes frites zu kaufen, und als wir uns gerade auf den Weg zurück zu unseren Plätzen gemacht hatten, stieß Ella mit einem Jungen ungefähr in ihrem Alter zusammen. Fast die Hälfte ihrer Pommes frites kippten aus dem Pappbecher und landeten auf dem Boden. Ella schimpfte: »Jetzt sieh dir mal an, was du gemacht hast!«
Der Junge blickte erschrocken drein, und ich sagte: »Ella, Liebling, das war ein Unfall. Er konnte genauso wenig etwas dafür wie du.« Ich sah zu dem Mann auf, der den Jungen begleitete, und rechnete nur damit, ein entschuldigendes Lächeln auszutauschen, bis ich erkannte, dass dieser Mann Simon Törnkvist war. Ich glaube, wir dachten beide einen Moment lang darüber nach, so zu tun, als hätten wir einander nicht erkannt – er trug jetzt eine andere Brille, mit größeren Gläsern, und keinen Bart mehr, aber sein strähniges blondes Haar und sein linkes Auge mit dem Hängelid verrieten ihn –, und dannsagte ich: »Meine Güte, wie
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