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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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abgespannt war sie an die Schule zurückgekehrt und hatte nie einen Versuch unternommen, wieder ins Cheerleaderteam aufgenommen zu werden. Sex war also nichts, wovon man nichts zu hören bekam, dennoch hatte ich nicht damit gerechnet, dass Dena es
wirklich
tun würde; ich hatte erwartet, dass sie schwankend an der Schwelle stehen, damit prahlen und andere aufziehen, nicht aber, dass sie diese übertreten würde.
    »Willst du nicht warten, bis du verheiratet bist?«, fragte ich. So hatte ich es geplant, und es schien mir absolut vernünftig, da wir aller Wahrscheinlichkeit nach in den nächsten Jahren heiraten würden. In Riley waren sogar College-Mädchen oft schon verheiratet, bevor sie ihren Abschluss machten, und wenn man mit fünfundzwanzig noch ledig war, sah man einem Dasein als alte Jungfer entgegen. Ruth Hofstetter zum Beispiel, die Verkäuferin in dem Geschäft, in dem meine Mutter und ich die Stoffe für unsere Kleider kauften, war achtundzwanzig und alleinstehend, und jedes Mal, wenn wir den Laden verließen, sprachen meine Mutter und ich darüber, wie traurig das sei, vor allem da Ruth nett und hübsch war.
    »Dafür dürfte es etwas zu spät sein«, sagte Dena. »Es besteht fast kein Unterschied zwischen ein Stück und ganz reinstecken.«
    »Glaubst du, du wirst Robert heiraten?«
    »Vielleicht.«
    »Dena, wenn du jemand anderen heiratest, wird er dahinterkommen, wenn du in der Hochzeitsnacht nicht blutest.«
    Sie grinste spöttisch. »Nicht jede blutet.« Sie hob den Spiegel auf und sah wieder hinein. »Du hast wirklich keine Ahnung.«
     
    Ich war meiner Großmutter seit Chicago aus dem Weg gegangen, doch eines Nachmittags Anfang Februar traf ich sie, da meine Mutter beim Einkaufen war, als ich von der Schule nach Hause kam, allein an. Sie saß im Wohnzimmer, rauchte und las einen Roman von Wilkie Collins. Ich hängte meine Tasche aneinen Haken hinter der Tür und ging in die Küche, um mir etwas zu essen zu machen, und meine Großmutter folgte mir. Als ich den Honig aus dem Schrank nahm, um mir ein Brot zu machen, sagte sie: »Du bist furchtbar mürrisch, seit wir aus Chicago zurück sind. Gibt es irgendetwas in Bezug auf die Reise, worüber du sprechen willst?«
    »Nein«, erwiderte ich.
    »Keine Fragen mehr zu Dr. Wycomb?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Es war still im Raum, dann sagte meine Großmutter: »Ich behaupte nicht, dass ich in meinem Leben nie etwas getan hätte, wofür ich mich schämen müsste, allerdings nicht in letzter Zeit. Wenn nicht jeder mit meinen Entscheidungen einverstanden ist, ist das in Ordnung. Die Meinung anderer Leute hat eine Situation noch nie richtig oder falsch gemacht.«
    In diesem Moment hasste ich meine Großmutter. Sie war so scheinheilig, dachte ich – tat unerschrocken und aufrichtig, während sie die Wahrheit verdrehte und mich mit hineinzog. Mit dem Rücken zum Herd starrte ich sie wütend an.
    »Menschen sind kompliziert«, fuhr sie fort. »Und die, die es nicht sind, sind langweilig.«
    »Dann bin ich wohl langweilig.«
    Wir sahen einander an, und sie klang ehrlich traurig, als sie sagte: »Ja, vielleicht bist du das.«
     
    Offiziell waren Robert Beike und Dena seit mehreren Monaten ein Paar, als im Mai der Junior-Senior-Abschlussball anstand, zu dem mich, wie Dena im März beschlossen hatte, Larry Nagel einladen sollte. Dazu war es einige Wochen vor dem Ball gekommen: Eines Vormittags, beim Verlassen des Chemiesaals, stand er mit verschränkten Armen auf dem Flur. Wir sahen einander an, und ich war mir ziemlich sicher, weshalb er dort wartete. Neben mir lief meine Freundin Betty Bridges, und ich murmelte ihr zu: »Geh schon mal vor, ich komm gleich nach.«
    Als sie weg war, fragte mich Larry nicht besonders herzlich: »Gehst du auf den Abschlussball?«
    »Ich denke schon«, antwortete ich.
    »Wollen wir zusammen hin?«
    »Klar.«
    »Okay«, sagte er mit weiterhin ausdrucksloser Stimme. »Also, bis dann«, und ging den Flur in die gleiche Richtung hinunter, in die auch ich gehen würde, doch da es ihm nicht einzufallen schien, dass wir zusammen gehen oder die Unterhaltung fortsetzen könnten, wartete ich einen Moment, bis er verschwunden war. Fairerweise konnte ich nicht von ihm erwarten, dass ihn meine Zusage überraschte oder begeisterte, wenn man bedenkt, dass die ganze Sache von Dena eingefädelt worden war. War ich etwa überrascht oder begeistert, dass er mich eingeladen hatte? Dennoch hoffte ich, mehr von dem süßen impulsiven Jungen, der mich auf

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