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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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natürlichen Lauf lassen«, sagte Dr. Wycomb. »In ein, zwei Tagen fühlst du dich wieder wie neu.«
    »Oh, ich bin mir sicher, sie wird schon morgen wieder wohlauf sein«, sagte meine Großmutter. »Glaubst du nicht auch, Alice?« Unser Zug zurück nach Riley sollte am späten Vormittag fahren.
    »Lasst uns das nicht jetzt entscheiden«, sagte Dr. Wycomb.
    Gegen acht am Abend brachte mir meine Großmutter zwei Aspirin und ein frisches Glas Wasser und sagte: »Ich bin mir sicher, deine Eltern hätten dich lieber ein wenig angeschlagen zurück als einen Tag zu spät. Wenn wir eine Nacht länger bleiben, gibt es jede Menge Hin- und Hertelefoniererei. Wir müssten die Fahrkarten umtauschen, und dein Vater wäre verärgert.«
    Außerdem wären Erklärungen nötig, Fahrten von der Wohnung zum Pelham, das Vortäuschen einer Verlängerungsnacht in einem Hotel, in dem wir nie übernachtet hatten. Diese Kette von Lügen, die es meiner Großmutter möglich machte, ihre Lippen auf die einer anderen Frau zu pressen, einer alten, noch nicht einmal attraktiven Frau – ich ertrug es nicht, noch weiter darüber nachzudenken, über diesen Bruchteil einesAugenblicks, diesen flüchtigen, bizarren Anblick, der mich völlig verstört hatte.
    Ich erwiderte nichts, und meine Großmutter sagte: »Ruh dich aus. Unser Zug geht erst um elf, wir haben genug Zeit, um morgen früh zu packen.«
    Nachdem ich die Augen geschlossen hatte, hörte ich, wie sie aufstand, und ich war nicht sicher, ob ich wirklich sprach oder nur träumte, als ich murmelte: »Ich verstehe nicht, warum du mich überhaupt mitgenommen hast.«
    »Mitgenommen wohin?«, fragte meine Großmutter, und da wusste ich, dass ich laut gesprochen hatte. »Nach Chicago?«
    Ich rollte mich herum. »Was?«
    Für einige Sekunden sah sie mich scharf und wachsam an. Schließlich sagte sie: »Du hast im Schlaf geredet.«
     
    Kurz bevor wir zum Bahnhof aufbrachen, lag meine Temperatur etwas unter achtunddreißig, doch um ehrlich zu sein, fühlte ich mich, als wir Dodsonville, die Station vor Riley, passierten, bereits fast wieder normal. Meine Eltern begrüßten uns aufgeregt. »Warst du auf einem Wolkenkratzer?«, fragte meine Mutter. »War es schön?«
    Im Auto sagte mein Vater zu meiner Großmutter: »Es war eine gute Idee von dir, Alice mitzunehmen«, was eine Art Entschuldigung zu sein schien.
    »Das Haus war so still ohne euch«, sagte meine Mutter. »Ich hab sogar angefangen, Grannys Zeitschriften zu lesen.«
    Meine Großmutter warf mir ein Lächeln zu, und ich hätte beinahe zurückgelächelt, doch dann fiel es mir wieder ein, und ich wandte mich ab und schaute aus dem Fenster.
     
    An nächsten Tag rief Dena an. »Du musst rüberkommen«, sagte sie und klang dabei, als würde sie weinen. »Dringend.«
    »Was ist passiert?«
    »Komm einfach her.«
    Ich stand gerade in der Küche, und nachdem ich aufgelegt hatte, warf ich mir den Mantel über und rannte nach draußen. Drüben angekommen, klopfte ich an die Vordertür der Janaszewskis– ihre Klingel war seit 1958 kaputt –, doch mir war zu kalt und ich war zu beunruhigt, um zu warten, also drehte ich den Knauf und ließ mich selber ein. »Hallo?«, rief ich.
    Im Wohnzimmer stritten sich Denas Schwestern, Marjorie und Peggy, wer als Nächstes an der Reihe war, eine Platte aufzulegen. Peggy sah kurz auf und sagte: »Dena ist oben«, dann zankten sie sich weiter.
    Die Tür zu dem Zimmer, das sich Dena und Marjorie im Obergeschoss teilten, stand offen, doch der Raum schien leer. Zaghaft rief ich Denas Namen.
    Unter einem der Einzelbetten schob sich eine Hand hervor und winkte mir zu. Ich ging in die Hocke, kniete mich vor das Bett und hob den kleinen Vorhang, der sich um das Bettgestell zog. »Was ist los?«, fragte ich. »Soll ich zu dir runterkommen?«
    »Ich habe mein Leben ruiniert.« Ihre Stimme klang zittrig und verheult.
    Ich legte mich auf den Rücken und rutschte unters Bett. Augenblicklich hatte ich Staub in der Kehle. Außerdem musste ich ein paar unidentifizierbare Gegenstände aus dem Weg räumen, bevor ich neben ihr angekommen war. »Was ist passiert?«, fragte ich.
    Sie schluckte, dann sagte sie kläglich: »Ich hab mir die Koteletten abrasiert.«
    »Aber du hast doch gar keine Koteletten.«
    »Ja,
jetzt
nicht mehr.«
    Ich griff nach dem Vorhang und schob ihn nach oben, damit Licht unters Bett fallen konnte. »So kann ich nichts erkennen«, sagte ich. »Du musst rauskommen.« Ich rutschte weg, und kurze Zeit später kam

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