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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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der Veranda geküsst hatte, zu sehen zu bekommen, und in gewisser Weise machte ihn seine übliche lässige Art nur noch süßer. Bestimmt würde im Laufe des Abschlussballs wieder etwas davon zum Vorschein kommen.
    Meine Mutter nähte mir ein Kleid nach einem Schnittmuster aus der
Mademoiselle
. Es war grün, mit herzförmigem Ausschnitt und einem Tüllrock, und ich hatte vor, lange, weiße Handschuhe dazu zu tragen, in denen ich mich wie die Königin von England fühlen würde, im positiven wie im negativen Sinn. Ein paar Stunden vor dem Ball fand ich auf meiner Kommode eine Papiertüte mit einem dem Farbton des Kleides fast identischen grünen Haarreif. Ich lief nach unten in die Küche, wo meine Mutter gerade einen Auflauf in den Ofen schob. »Danke«, rief ich. »Er passt perfekt dazu.«
    Sie lächelte. »Ich wünsche dir einen wundervollen Abend.« Sie schloss den Ofen, und impulsiv umarmte ich sie – ich fühlte mich ihr näher, seit ich meine Großmutter mied. Aufgrund meiner Position im Spirit Club hatte ich am Morgen zweihundert Muffins in die Schule bringen müssen, die es auf dem Ball geben würde. Zuvor waren meine Mutter und ich bis Mitternacht damit beschäftigt gewesen, sie mit gelber Glasur zu bestreichen.
    Etwas später, als meine Eltern und Großmutter zu Abend gegessen hatten, ging ich, noch barfuß, aber mit den Handschuhenund dem Haarreif, nach unten, um das Kleid vorzuführen. Als ich das Esszimmer betrat, applaudierten sie. »Mach einen Knicks«, forderte mich meine Großmutter auf, und da unsere Beziehung hauptsächlich dann gespannt war, wenn wir alleine waren – in Anwesenheit meiner Eltern wurde die Spannung durch deren Arglosigkeit abgemildert –, kam ich ihrer Bitte nach. Warum auch nicht? Es war ein Frühlingsabend; nebenan mähte Mr. Noffke den Rasen, und der Geruch von frisch geschnittenem Gras wehte durch die Fenster herein.
    Zu meinem Erstaunen stand mein Vater plötzlich auf, reichte mir die Hand und sagte: »Darf ich um diesen Tanz bitten?«
    »Oh, lasst mich eben Musik anmachen!« Meine Mutter eilte ins Wohnzimmer, um das Radio anzuschalten, und Big-Band-Musik – es klang wie Glenn Miller – drang zu uns herüber.
    Mein Vater hob unsere Arme in einem Bogen über meinen Kopf und wirbelte mich darunter hindurch. Über die Musik hinweg sagte meine Mutter: »Alice, wie das Kleid deiner Figur schmeichelt!«
    Mein Vater hielt mich ganz leicht, führte mich in Drehungen und wiegte mich, dabei sagte er: »Steh aufrecht. Selbst kleine Burschen bevorzugen Mädchen mit guter Haltung, denn das ist ein Zeichen von Selbstvertrauen.«
    Ich straffte die Schultern und hob das Kinn.
    »Wirf sie in eine Pose!«, rief meine Großmutter, und meine Mutter warf augenblicklich ein: »Pass auf deinen Rücken auf, Phillip.«
    Als die Saxophone im Radio anhoben, rauschte ich zu Boden und hörte meine Mutter und Großmutter erneut Beifall klatschen. Vielleicht war es nur das Blut, das mir in diesem Augenblick in den Kopf schoss, oder die Gefühlskraft der Musik, aber in diesem Moment liebte ich meine Familie einschließlich meiner Großmutter so sehr, dass ich mich den Tränen nah fühlte. Sie waren so voller Güte und lieb zu mir, und ich war so glücklich, doch selbst damals spürte ich bereits, wie zerbrechlich das Glück war.
    Als ich wieder aufrecht stand, flüsterte mein Vater mir sanft ins Ohr, ohne dass ihn meine Großmutter und Mutter hörenkonnten: »Du bist ein hübsches Mädchen. Lass dich von deinem Begleiter nicht ausnutzen.«
     
    Robert, Larry, Dena und ich aßen im Tatty’s zu Abend. Es war Tradition in Riley, sich erst in Schale zu werfen und dann einen fettigen Hamburger essen zu gehen. Mit den Geschichten von Mädchen im Hinterkopf, die schon vor dem Ball in Tränen aufgelöst waren, weil sie ihr Seidenkleid mit Ketchup oder Soße bekleckert hatten, steckte ich meine weißen Handschuhe vorsorglich in die Handtasche und breitete drei Servietten über meinem Schoß aus. Robert hatte uns gefahren, und neben Larry auf dem Rücksitz spürte ich meine Hoffnungen in den Abend erstmals schwinden, als Larry einen einzigen nachlässigen Versuch unternahm, das Ansteckbukett an meinem Kleid zu befestigen, und mir dann die blassrote Rose hinhielt und sagte: »Kannst du das nicht einfach selbst machen?« Vom Tatty’s fuhren wir zur Schule. In der Turnhalle war es heiß, laut und voll, so, wie es meiner Vorstellung nach sein sollte. Über unseren Köpfen durchkreuzten gelbblaue Wimpel und

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