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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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sie mir hinterher.
    Als sie aufrecht auf dem Boden saß, mit den Schultern ans Bett gelehnt, sah ich, dass ihr Gesicht gerötet und fleckig und ihre Augen feucht waren. Ihre braunen Haare, die etwas heller als meine, aber genauso geschnitten waren, standen, wie bei einem kleinen Mädchen, am Hinterkopf ab. Sie griff nach einem Spiegel, der umgedreht auf dem Teppich lag. Ich kannte diesen mattrosafarbenen Plastikspiegel gut, denn ich hatteeinen nicht unwesentlichen Teil meines Lebens damit verbracht, hineinzuschauen, oft mit Dena zusammen. Der eigentliche Spiegel hatte etwa die Größe eines Gesichts. Dena hielt ihn vor sich, wandte den Kopf zur Seite und fixierte mit den Augen die Stelle oberhalb ihres Ohrs.
    »Ich weiß immer noch nicht, was du eigentlich meinst«, sagte ich.
    »Also, zuerst hab ich sie mit der Schere abgeschnitten, aber das sah komisch aus, deshalb hab ich anschließend ein Rasiermesser benutzt.«
    Ich sah näher hin und fuhr mit der Zeigefingerspitze über die betreffende Stelle. »Das hast du echt gut gemacht. Ist total glatt. Dreh mal den Kopf auf die andere Seite.« Sie tat es, und ich befühlte die Haut dort. »Ist in Ordnung«, sagte ich.
    »Aber überleg doch mal, wenn es nachwächst. Ich werde Stoppeln haben. Alice, ich werde einen Dreitagebart bekommen!«
    »Dann rasierst du es eben wieder.«
    »Für den Rest meines Lebens?«
    »Niemand wird etwas bemerken«, sagte ich. »Versprochen.«
    »Robert meint, behaarte Mädchen sind wie Affen. Du weißt schon, wie Mary Hafliger …«
    »Hör auf damit, Dena«, sagte ich. »Sie kann nichts dafür.« Mary Hafliger war mit mir im Spirit Club. Ihre Unterarme waren voller dunkler, dichter Haare, über die ich sowohl die Jungs als auch die Mädchen in unserer Klasse hatte reden hören.
    »Sie kann sehr wohl etwas dagegen tun«, sagte Dena. »Sie könnte sie wenigstens bleichen.«
    »Mary ist nett«, sagte ich. »Erinnerst du dich an die Pfeifenreiniger in Nikolausform, die wir vor Weihnachten verkauft haben? Sie hat alle Bärte einzeln angeklebt, dafür brauchte sie fast eine Woche.«
    Dena grinste. »O ja, ich wette, sie hat ihnen die Bärte angeklebt.« Dena hatte ihren präpubertären Plan, Cheerleader zu werden, in die Tat umgesetzt, und Spirit-Club-Mitglieder rangierten innerhalb unserer Schulhierarchie ein gutes Stück unterden Cheerleadern. Mehr als einmal hatte sie mich aufgefordert, in ihr Team zu wechseln – wenn ich es mit dem Cheerleading versuchen wolle, würde sie ein gutes Wort für mich einlegen –, doch ich hatte keine Lust, schreiend und springend vor anderen Leuten herumzuturnen.
    Dena hielt noch immer den Spiegel vor sich und schürzte träge die Lippen. Ihre Traurigkeit schien verflogen. Dann legte sie ihn zurück auf den Teppich und flüsterte: »Ich bin nur noch eine halbe Jungfrau.«
    »Was soll das heißen?«
    »Mach die Tür zu.« Sie deutete in deren Richtung, und nachdem ich sie geschlossen hatte, sagte sie: »Ich hab Robert erlaubt, ihn ein Stück reinzustecken.«
    »Du musst nicht tun, was er von dir verlangt, Dena. Er sollte dich respektieren.«
    »Wie kommst du denn auf die Idee, dass er das nicht tut?« Sie grinste.
    Ich wusste, dass sie Robert bereits öfter erlaubt hatte, ihr unter den Rock oder in die Hose zu greifen, aber nicht in die Unterhose – zumindest hatte sie das behauptet. Ihre Berichte waren mir immer sehr aufregend erschienen, aber auch überaus gefährlich. Laut unserer Hauswirtschaftslehrerin, Mrs. Anderson, konnten sich manche Männer, waren sie erst erregt, nicht mehr unter Kontrolle halten. Außerdem sollte man an seinen Ruf denken, und dann gab es auch noch, und das war am wichtigsten, das Risiko, schwanger zu werden. Über gewisse Mädchen an der Benton County Central High wurde erzählt, sie hätten Sex gehabt – über Cindy Pawlak wurde nicht nur das erzählt, sondern auch, dass sie es schon mit mehreren gemacht hätte, unter anderem, und das war am ungeheuerlichsten, mit dem Busfahrer der Junior High, einem verheirateten Mann aus Houghton. Und es gab Mädchen, meistens kamen sie vom Land, die schwanger wurden, die Schule verließen und dann, wenn sie Glück hatten, geheiratet wurden. Dann war da auch noch Barbara Grob, ein blonder Cheerleader aus dem Jahrgang über uns, die vergangenes Frühjahr angeblich beschlossen hatte, bei Verwandten in Eau Claire zu leben, von der jedochjeder wusste, dass sie in einem Kloster ein Baby zur Welt gebracht und zur Adoption freigegeben hatte; dick und

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