Die Frau des Praesidenten - Roman
vorstelle.«
Ich konnte mir denken, was Dena in dieser Situation sagen würde, was wahrscheinlich eine Menge Mädchen sagen würden:
Wen
würdest du dir denn für mich vorstellen? Aber es war so schön, den Moment zu genießen, ohne ihn voranzutreiben, die offenen Möglichkeiten statt möglicher Grenzen zu spüren. Später erinnerte ich mich daran, dass ich damals zu wissen glaubte, dass Andrew mein Freund werden würde, dass es sich jedoch nicht so anfühlte, als würde es mir hier zum ersten Malklar. Hatte ich das nicht schon mein ganzes Leben lang gewusst? Warum also die Eile? Wir sollten einander erst kennenlernen, bevor wir uns nahekamen.
»Hast du die Muffins probiert?«, fragte ich.
»Ja, die sind ziemlich lecker. Es gibt auch Kartoffelchips.«
»Ich habe einige von den Muffins gebacken«, sagte ich. »Nicht die blauen, sondern die mit der gelben Glasur.«
»Und ich
dachte
mir noch, die schmecken, als stammten sie aus Alice Lindgrens Küche!«, witzelte er, und ich gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Nein, sie sind köstlich«, beteuerte er. »Ehrlich.«
Wir lächelten uns an. Nach einer kurzen Pause sagte er: »Wenn du magst, kannst du deinen Kopf an meine Schulter legen.«
Ich zögerte. »Bin ich dafür denn groß genug?« Es war offensichtlich, dass dies nicht meine einzigen Bedenken waren.
»Du musst nicht«, sagte er. »Nur wenn du willst.«
Plötzlich waren wir uns nah wie nie zuvor. Ich konnte seine Wärme spüren, seinen sportlichen Körper, und mich überkam Ruhe; sie machte unsere Unterhaltung zu etwas Belanglosem, Unwichtigem, als wäre sie lediglich Beiwerk wie Regentropfen oder Konfetti. Das eigentlich Wirkliche war unsere Umarmung.
Das Lied endete, und wir lösten uns voneinander. Bobby Sobczak kam auf uns zu, und ich ging zu Betty Bridges an den Tisch mit den Erfrischungen. Nach zehn Minuten tauchte Dena auf, ihre Wangen waren gerötet, und sie roch nach Alkohol. »Hast du etwa mit Andrew getanzt?«, fragte sie eindringlich und äußerst gespannt, in ihrer Stimme schwang beinahe etwas Drohendes mit.
Ich hatte angenommen, sie wäre die ganze Zeit draußen gewesen. Es musste ihr also schon jemand erzählt haben. »Als ihr alle weg wart, hat er mich wohl alleine dastehen sehen«, sagte ich. »Vielleicht hab ich ihm leidgetan.«
Doch ich wusste, dass das nicht stimmte. An einer Stelle gegen Ende des Liedes hatte Andrew tief eingeatmet, und ich war mir ziemlich sicher, dass er den Duft meiner Haare hatte in sich aufnehmen wollen.
Im August reiste meine Großmutter wieder zu Gladys Wycomb nach Chicago. Meine Eltern und ich verstauten unsere Koffer im Auto – einem türkisfarbenen 1956er Chevy Bel Air mit silberner Kühlerfigur in Form eines Papierfliegers – und fuhren durch Wisconsin in Richtung Norden zur Oberen Halbinsel von Michigan, um die Mackinac Bridge, alias Mighty Mac, zu besichtigen. Als wir uns der Brücke von Saint Ignace aus näherten, hielt mein Vater, der bis dorthin die gesamte Strecke gefahren war, kurz an, und meine Eltern tauschten Plätze, damit er sich beim Überqueren der Brücke uneingeschränkt umsehen konnte. Wir fuhren und fuhren über aufgewühltes blaues Wasser, und als wir auf der anderen Seite ankamen, wendete meine Mutter, und wir überquerten die Brücke ein zweites Mal, diesmal von Süd nach Nord. Die Mautgebühr betrug fünfzig Cent, was zwar nicht viel, für meinen Vater jedoch geradezu maßlos war. Wir parkten an der Küste von Saint Ignace. Obwohl es Sommer war, trugen meine Mutter und ich Jacken; mein Vater schüttelte fasziniert den Kopf. »Stellt euch nur den ganzen Beton, Stahl und all die Kabel vor, die hier acht Kilometer über das Wasser verlaufen«, sagte er. »Eine technische Meisterleistung.«
Am Himmel über der Brücke hingen Federwolken, und die Luft kündigte den Herbst an. In Riley hingegen war es noch immer heiß.
»Sollen wir einen kleinen Spaziergang machen?«, fragte mein Vater.
Wir schlenderten eine Promenade entlang. In regelmäßigen Abständen standen münzbetriebene Fernrohre, an denen mein Vater haltmachte, wenngleich ich mir nicht wirklich vorstellen konnte, wie sich die Aussicht von einem zum anderen Aussichtspunkt verändern sollte. »Bevor die Brücke gebaut wurde, musste man eine Stunde mit der Fähre übersetzen«, sagte er. »Manchmal war so viel los, dass die Leute zehn bis zwölf Stunden warten mussten, bevor ihr Auto verladen werden konnte.«
Ich nickte, während ich mich innerlich auf meine Ankündigung
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