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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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wandte mich nicht gleich wieder ab. »Diese Geschichte über Mimi Étoile, ist die wahr?«
    Meine Großmutter sah mich lange an. »Wenn sie es wäre«, sagte sie schließlich, »fändest du sie nicht ungeheuer interessant?«
     
    Mittwochmorgen fragte mich meine Mutter, während ich in der Küche meine Haferflocken aß: »Der Spirit Club trifft sich heute Nachmittag, nicht wahr, Liebes?« Ich hatte seit dem Unfall an keinem Treffen mehr teilgenommen, doch ich beschloss, ihr zuliebe hinzugehen. Sie bemühte sich so sehr um einen heiteren Tonfall, da sie glaubte – und das berührte mich sehr –, mit Fröhlichkeit darüber hinwegtäuschen zu können, dass ich Andrew getötet hatte.
    Das Treffen verlief ohne Zwischenfälle. Während der fünfundvierzigminütigen Diskussion, ob das Transparent mit der Aufschrift »Go benton knights« für das Footballspiel gegen die Houghton North High am Freitag schon bei der Morgenversammlung oder erst am Spielfeld entrollt werden sollte, meldete ich mich kein einziges Mal zu Wort und gab am Ende lediglich meine Stimme für die erste Variante ab. Der SpiritClub bestand aus sechzehn Mädchen und einem Jungen, Peter Smyth, einem dünnen, nervösen Zehntklässler, der geradezu besessen von Elizabeth Taylor war und sie bei jeder Gelegenheit in ihrer Rolle als Callgirl in
Telefon Butterfield 8
imitierte.
    Tags darauf sprach mich nach dem Mittagessen beim Verlassen der Cafeteria Mary Hafliger, die Vorsitzende des Spirit Clubs, an. »Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?«
    Ich nickte, und wir verließen die laute Cafeteria und liefen hinüber zum Lehrerparkplatz. Es war ein sonniger Tag, und die Bäume, die um den Parkplatz standen, hingen voller rot und golden leuchtender Blätter.
    »Es fällt mir nicht leicht, dir das zu sagen«, begann sie, »aber wir glauben, es wäre besser, wenn du nicht mehr am Spirit Club teilnimmst.«
    Ich war wie vor den Kopf gestoßen und trotzdem kein bisschen überrascht. Im Allgemeinen war ich auf Missbilligung gefasst, doch wenn es konkret passierte, traf es mich völlig unvorbereitet.
    Ich schluckte. »Das ist okay.«
    »Ich wusste, du würdest es verstehen«, sagte sie. »Es ist eben, weil du die Leute traurig machst.«
    Ich dachte daran, wie ich vergangenes Frühjahr Marys behaarte Unterarme vor Dena in Schutz genommen hatte, dann fragte ich mich: Hatte ich die Leute bei dem Treffen am Tag zuvor wirklich traurig gemacht? Es war ein einziges Gezanke gewesen, in das Peter Smyth regelmäßig ein Zitat aus
Telefon Butterfield 8
hineingerufen hatte: »›Gewöhn dich dran, Mama, ich war die größte Schlampe aller Zeiten!‹«
    Aber konnte ich es Mary übelnehmen? Und plötzlich wurde mir klar: Ich war Mimi Étoile. Ich war das Mädchen, dem von einem Tiger die Nase abgebissen worden war, und nun erinnerte ich fröhliche Menschen an das Leid, das Leben auch bedeutete. Oder nein, vielleicht war ich doch nicht Mimi, denn ihre Geschichte hatte ja einen glücklichen Ausgang genommen. Abgesehen davon, hatte sie nur ihre Nase verloren.
     
    Das nächste Mal geschah es Freitag nach der Schule. Er hatte den verrosteten roten Pick-up, den ich auf der Farm der Imhofs gesehen hatte, in der Nähe des Schulgeländes geparkt und war auf dem Beifahrersitz sitzen geblieben. Als ich daran vorbeilief, rief er leise: »Alice«, woraufhin ich mich umsah, ihn erkannte und ohne ein Wort in den Wagen kletterte. Während der Fahrt schwiegen wir. Als wir rechts in die Zufahrtsstraße zum Haus einbogen, war ich überrascht; unterbewusst hatte ich wohl angenommen, wir würden an einen abgelegenen Ort fahren, es vielleicht sogar auf der Ladefläche des Wagens machen.
    »Aber was ist mit deinen Eltern …«, begann ich, und er sagte: »Sie sind übers Wochenende mit meiner Tante und meinem Onkel in Racine.«
    Im Haus folgte ich Pete zielgerichtet die Treppe hinauf; ich war nicht einmal nervös. Die erste Runde verlief wie beim letzten Mal, beide auf den Händen und Knien, er hinter mir. Danach sanken wir auf der Matratze zusammen, drehten uns irgendwann aber um, so dass wir nebeneinander auf dem Rücken lagen. Er wandte sich zu mir und blieb auf der Seite liegen; da er größer war als ich, befand sich sein Mund auf Höhe meiner Stirn. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir uns derart positioniert hatten, und wir sprachen dabei nur wenig. Wir lagen noch immer so da, als er begann, mit den Fingerspitzen zwischen meinen Hüftknochen hin- und herzufahren. Mit jedem Mal rutschte seine

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