Die Frau des Praesidenten - Roman
…«, begann ich.
»Lass mich in Ruhe«, fuhr sie dazwischen. »Das ist alles, was ich von dir will.«
Als wir am darauffolgenden Abend im Co-op an der Kasse anstanden, drehte sich Charlie plötzlich um und fragte mich: »Moment mal … hast du dir nicht ein Haus gekauft?«
Ich erstarrte für einen kurzen Augenblick, dann sagte ich: »Es hat die Abnahme nicht bestanden.«
»Warum nicht?«
»Im Keller hatte sich ein Balken gelöst, und das gesamte Fundament war deshalb instabil.« Nadine hatte mir mal von einem Kunden erzählt, der ein Gebot für ein Haus abgegeben hatte, und bei der Inspektion war genau dieses Problem aufgetreten. Ich fühlte mich nicht wohl dabei, Charlie anzulügen, doch wie sollte ich ihm die Kette von Ereignissen erklären, die mich dazu veranlasst hatte, meine Meinung zu ändern? Wie sollte ich ihm von meiner Mutter und dem Anlagebetrug erzählen, bevor er sie kennengelernt und mit eigenen Augen gesehen hatte, dass sie weder leichtsinnig noch verrückt war? Und wie sollte ich ihm die Verbindung meiner Familie zu Pete Imhof erklären? Ich hatte weder Wade Trommler noch Simon Törnkvist je von Andrew erzählt; bei Wade hatte ich mich gefragt, ob er es vielleicht allein herausfinden würde, da ich nicht die Einzige war, die aus Riley stammte und nun in Madison lebte, doch soweit ich wusste, hatte er es nicht.
»So ein Mist«, sagte Charlie gerade.
»Ich denke, es hat einfach nicht sollen sein.« Wir rückten in der Reihe nach vorn auf, und ich begann, unsere Einkäufe auf den Verkaufstresen zu legen. Ich wollte Linsensalat zu unseren Steaks machen, und Charlie hatte mich in den Co-op begleitet, den er offensichtlich noch nie von innen gesehen hatte. »Hab ich mir doch gleich gedacht, dass du ein Hippie bist«, hatte er beim Reingehen gesagt.
Während ich die Linsen, Knoblauch, Feta, Walnüsse, Olivenöl und frischen Dill auf das Band legte, fragte Charlie, ohne mich anzusehen: »Was, meinst du, würde es kosten, das Fundament in Ordnung zu bringen?«
»Oh …« Ich zögerte. Ich begriff, dass wir auf ein heikles Thema mit jeder Menge heikler Unterthemen zusteuerten. »Das Fundament zu richten würde wahrscheinlich genauso viel kosten wie das ganze Haus. Das lohnt sich nicht.« Die Kassiererin begann mit dem Eintippen, und hinter uns lud die nächste Kundin ihre Artikel aus. Sie war schlank, etwa so altwie ich und trug eine kurzärmelige Bluse und einen Wickelrock. Mir fielen sofort ihre leuchtend roten Haare und ihre Sommersprossen auf, was mir – den jeweiligen Frauen selbst jedoch meist weniger – schon immer gut gefallen hatte.
»War es dein Traumhaus, oder war es nur so lala?«, fragte Charlie.
»Nur so lala«, sagte ich so gelassen wie möglich. Ich konnte dieses Gespräch keine Sekunde länger führen, ohne in Tränen auszubrechen. Nicht, weil mich der Verlust des Hauses so schmerzte – um ehrlich zu sein, hatte ich gar nicht mehr so oft daran gedacht –, sondern weil ich diese ganze Situation anstrengend und seltsam fand. Wenn ich zu Charlie sagen würde:
Bitte sei doch so nett und kauf mir das Haus
, würde er es tun? Dann fiel mein Blick auf die Lebensmittel der rothaarigen Frau. Es war genau das, was man kaufte, wenn man allein lebt: eine Packung Müsli, ein paar Äpfel, ein Plastikeimer Naturjoghurt. Während wir darauf warteten, dass die Kassiererin die Endsumme zusammenrechnete, sagte Charlie: »Ich freue mich auf deinen Hippie-Salat«, beugte sich zu mir und gab mir einen Kuss auf den Hals.
Plötzlich wurde mir klar, dass ich die Seite gewechselt hatte. Ich selbst war die rothaarige Frau gewesen; zehn Jahre lang hatte ich Müsli und Joghurt eingekauft, hatte hinter Pärchen gestanden und sie beim Turteln beobachtet, und jetzt war ich selbst Teil eines solchen Pärchens. Und ich würde nicht mehr zurückwechseln, dessen war ich mir fast sicher. Aber ich kannte ihr Leben, ich kannte es so genau! In diesem Augenblick hätte ich ihr am liebsten ihre sommersprossige Hand gedrückt und ihr gesagt – bestimmt teilten wir einen gemeinsamen Code (oder sie würde mich für völlig verrückt halten):
Es ist schön auf der anderen Seite, aber es ist auch auf deiner Seite schön. Genieß es dort. Die Einsamkeit ist zwar schmerzhaft, und sie macht den größten Teil aus, aber manches ist auch einfacher.
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber verglichen mit seiner Wohnung in Houghton schien Charlies Wohnung in Madison eine innenarchitektonische Meisterleistung.
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