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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Johannes’ ein Kohlebecken, in dessen roter Glut eine gleißende Zange lag.
    »Nein«, entwich es Conrad atemlos. »Was habt Ihr mit mir vor?«
    Die folgenden Worte von Johannes schafften endgültig Klarheit über die nächste Stunde vor seiner Freilassung. »Verschont sein Gesicht, er soll unversehrt aussehen. Aber verfahrt nicht zu freundlich mit ihm.«
    Der Sessel seines Kontors war Conrad noch nie so einladend vorgekommen wie in diesem Moment.
    Nachdem die zwei vermummten Gestalten mit ihm fertig gewesen waren, hatten sie ihm einen schmierigen Lappen in den mit Erbrochenem gefüllten Mund gestopft. Mit einem Sack über dem Kopf wurde Conrad mehr geschleift, als dass er selbst ging. Immer wieder stolperte er, nur um sich unter Schlägen wieder aufzurappeln. Seine Peiniger zerrten ihn mehrere Treppenstufen hoch, bevor sie endlich eine Straße erreichten und Conrad das erste Mal seit Stunden wieder die Luft der Stadt riechen konnte. Er hatte jedwede Orientierung verloren und konzentrierte sich nur noch darauf, nicht mehr hinzufallen, um erneute Schläge zu vermeiden. Mit aller Macht kämpfte er gegen die Ohnmacht an. Sein Leib war vollkommen kraftlos, und er stank nach verbranntem Fleisch. Auch wenn die verkohlten Stellen an seinen Beinen unblutig waren, schmerzten sie doch ganz fürchterlich. Sein Oberkörper war mit Knüppeln bearbeitet worden und fühlte sich an, als wäre er aus Hirsebrei. Erst kurz bevor Conrad glaubte, unter den Schlägen und der Folter sterben zu müssen, hatten sie von ihm abgelassen.
    Nach einem schier endlosen Weg über schlammige Straßen blieben die stummen Schläger stehen und warfen Conrad in den Dreck. Sie lösten seine Handfesseln, sodass er sich selbst des Knebels und des Sacks über seinem Kopf entledigen konnte, und verschwanden lautlos und ungesehen in der Dunkelheit.
    Wie er letztendlich von der kleinen Gasse im Nikolaikirchspiel in sein Haus in die Reichenstraße und auf seinen Sessel im Kontor gekommen war, vermochte Conrad kaum mehr zu sagen.
    Nur schwerlich wollte es ihm gelingen zu denken. Er hatte rasende Kopfschmerzen, und sein ganzer Körper schien nur noch aus Schmerz und Scham zu bestehen. Immer wieder wechselte er unter gequältem Stöhnen seine Haltung, um vielleicht irgendwann eine Stellung zu finden, die nicht so heftig schmerzte. Irgendwann fand er die erträglichste Position. Endlich kam er etwas zur Ruhe und ließ die Bilder der schrecklichen Nacht noch einmal vor seinem inneren Auge vorbeiziehen.
    Was war genau geschehen und wo, in Gottes Namen, befand sich dieses Verlies? Johannes hatte es einen gottverlassenen Ort genannt, was darauf hindeutete, dass dieser Ort geheim war und möglicherweise niemandem außer diesen drei Männern bekannt war.
    Conrad war der Weg nach seiner Freilassung ewig erschienen, doch das bedeutete noch lange nicht, dass sich das Verlies nicht doch in der Stadt befand. Möglicherweise waren die Männer mit ihm im Kreis gelaufen, um ihn zu verwirren. Ganz in der Nähe der Kirche St. Nikolai hatte er sich seines Knebels entledigt; vielleicht war das Verlies tatsächlich auch dort zu finden; nur wo genau?
    Conrad merkte schnell, dass es keinen Sinn hatte, weiter darüber nachzugrübeln. Er würde ja doch nichts damit erreichen. Eines allerdings wusste er ganz genau: Er wollte nie wieder dorthin zurück. Zweifelsohne würde er deshalb tun müssen, was Johannes von ihm verlangte. Conrad war sich sicher, dass sein Schwager seine Drohung wahrmachen und ihn erneut verschleppen würde, um ihn dann elendig verrecken zu lassen. Wie Johannes selbst betont hatte, war es nicht ausschlaggebend für den Erfolg seines Plans, ob Conrad lebte oder starb.
    Erst jetzt wagte er es, seinen dröhnenden Kopf zu betasten. Das Gesicht hatten sie tatsächlich verschont, doch sein Hinterkopf wies eine dick geschwollene Beule auf, die sich heiß anfühlte. »Heilige Muttergottes«, murmelte er leise vor sich hin, als er an die Schwellung fasste. Wie sollte er dieses Ungetüm die nächste Zeit versteckt halten können? Es fühlte sich an, als würde sie eine Handbreit von seinem kahlen Kopf abstehen. Die kommenden Tage würde er sein Haus nicht ohne spitzen Filzhut verlassen können.
    Völlig erschöpft sank er noch tiefer in den Sessel. Er wollte sich zwingen, weiter über die Ereignisse nachzudenken, doch er schaffte es nicht, wach zu bleiben. Der Mond stand schon viele Stunden am Himmel, als Conrads Körper in einen unruhigen Schlaf fiel.

16
    Nachdem bekannt

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