Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
machen. Ein jeder würde denken, dass Ihr die Flucht ergriffen hättet, da Ihr dabei seid, Euren Einfluss im Rat zu verlieren. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Mann aus Scham vor Machtverlust verzweifelt aus der Stadt geflüchtet wäre.«
Conrad versuchte sich zu sammeln. Die Angst kroch in ihm hoch. Er musste nachdenken, sich konzentrieren. Sie würden ihn wieder gehen lassen, sagte er sich immer wieder. Auch wenn diese Erkenntnis große Erleichterung in ihm auslöste, musste er sich dennoch eingestehen, dass seine Freiheit einen hohen Preis hatte. Es blieb ihm keine Wahl, als sich der Erpressung zu ergeben. Was für eine Schmach. Conrad brauchte nicht lange abzuwägen, um einzusehen, dass es keinen anderen Ausweg für ihn gab.
»Entscheidet Euch!«, schrie Johannes vom Berge ihn nun an. »Ich werde hier nicht ewig stehen und auf Eure Antwort warten. Vergesst nicht, Euer Tod würde mich meinem Ziel ebenso nahe bringen wie das Erfüllen meiner Forderungen. Nach Eurem Tod wäre meine Schwester wieder mein Mündel, und ich könnte sie neu verheiraten. All Euer Besitz würde durch sie in meine Hände fallen, und damit wäre es mir ein Leichtes, einen neuen Ehemann für sie aufzutreiben. Entscheidet selbst: Wollt Ihr leben oder sterben?«
Conrad wollte sich das letzte bisschen Würde bewahren und trotz der Schmerzen und der Erniedrigung mit fester Stimme antworten. »Ich gehe auf Eure Forderungen ein.«
»Kluge Entscheidung, geliebter Schwager«, erwiderte Johannes nun zufrieden. »Kommen wir nun zu dem Boten. Damit ich sichergehen kann, dass der Auftrag zu meiner Zufriedenheit erfüllt wird, habe ich mich bereits um einen passenden Mann bemüht. Er heißt Bodo und ist bereits eingeweiht; Ihr werdet mit ihm vorliebnehmen müssen. Sein Begleiter wird ein Mann der Kirche sein. Ein sprachkundiger Missionar namens Vater Nicolaus. Beide werden morgen zu Euch kommen und sich eine Börse mit dem Geld für die Reise abholen. Außerdem gebt Ihr jedem einen kleinen Zusatzbetrag von fünfzehn Silbermark, den ich ihnen versprochen habe. Könnt Ihr mir bis hierher folgen, Schwager?«
Conrads Mund hatte sich geöffnet, doch er nickte nur ungläubig. Es gab nichts, was er sonst hätte tun können, und so richtig überraschen konnte ihn in seiner jetzigen Situation nichts mehr – auch nicht die enorme Summe von dreißig Silbermark.
»Sobald die beiden Männer aus Friesland zurück sind und die Dame Ragnhild Witwe ist, werdet Ihr sie ins Kloster der Beginen schicken. Falls sie nicht freiwillig Euren Forderungen Folge leistet, werdet Ihr, wie soll ich sagen, zu gegebener Zeit Unterstützung erhalten.«
»Unterstützung? Was meint Ihr damit?«
»Das werdet Ihr beizeiten erfahren. Wir werden Euch stets im Auge behalten und dafür sorgen, dass alles so verläuft, wie wir es eben besprochen haben. Solltet Ihr Euch jemandem anvertrauen oder nicht entsprechend den Anweisungen handeln, werdet Ihr Euch schneller hier in Ketten wiederfinden, als Ihr meinen Namen rufen könnt. Merkt Euch das!«
Trotz seiner gefährlichen Lage wurde Conrad von seinem Zorn übermannt. Speichel speiend schleuderte er allerlei Verwünschungen heraus. Jede einzelne wurde von Johannes vom Berge mit einem milden Lächeln überhört. Dieser wandte sich schon unbeeindruckt zum Gehen, bis Conrad ihn einen Feigling nannte, der sich von seinem Weib befehligen ließ.
Als Johannes vom Berge dies vernahm, blieb er ein letztes Mal stehen und drehte sich zu dem Gefangenen um. Trotz der Dunkelheit sah Conrad die Röte ins Gesicht seines Schwagers steigen. Er hatte einen wunden Punkt getroffen, wie er zufrieden bemerkte, und wollte voller Genugtuung Kapital daraus schlagen.
Doch Johannes vom Berge kam unvermittelt zurück und näherte sich mit seinem Gesicht dem von Conrad bis auf eine Handbreit. Mit vor Hass bebender Stimme sagte er: »Eines hätte ich fast vergessen. Gut, dass Ihr mich auf diese Weise daran erinnert. Ihr bekommt noch etwas von mir. Etwas, was Ihr meiner Schwester auch habt angedeihen lassen.«
Auf einen Handwink von Johannes traten die anderen Gestalten langsam auf Conrad zu.
»Das ist dafür, dass Ihr das Antlitz meiner Schwester zerschlagen und somit eine erneute Heirat nach Eurem eventuellen Dahinscheiden noch teurer für mich gemacht habt.«
Conrad konnte ihm nicht ganz folgen. Wie von selbst stellten sich aber alle seine Nackenhaare auf, und er presste sich rücklings gegen die moosigen Mauersteine. Dann sah er hinter den Gefolgsmännern
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