Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
gegangenen Glauben an ihn.
7
Wider Erwarten erwachte Albert vor Thiderich. Sein Fieber war noch nicht ganz gewichen, aber er verspürte einen unglaublichen Hunger, was die Alte als gutes Zeichen deutete, wie der blonde Walther ihm übersetzte.
Albert fragte ihn, wie lange er besinnungslos gewesen war, doch er erntete darauf zunächst nur ein Schulterzucken. »Ich weiß es nicht genau. Vielleicht drei oder vier Wochen. Lange genug jedenfalls, um um Euer Leben zu fürchten«, antwortete Walther wahrheitsgemäß.
Albert setzte sich zittrig auf. Sofort wurde er von einem Schwindel ergriffen. Seine Kräfte waren in der langen Zeit des Liegens geschwunden. Als er versuchte sich weiter zu bewegen, ließ ihn ein stechender Schmerz in seinem Leib in der Bewegung innehalten und das Gesicht verzerren. Langsam hob er seine Kleidung an und betrachtete eingehend die Wunden an seinem Bauch. Augenblicklich kam es ihm wie ein Wunder vor, dass er tatsächlich überlebt hatte. Dann überkam ihn die Neugier. Sein Mundwerk hatte zum Glück keinen Schaden davongetragen. Völlig unerwartet fing er an, Walther auszufragen.
Wer war die alte Frau, die ihn gepflegt hatte? Wer waren er und Thiderich? Er fragte ihn nach ihrer Reise, nach den anderen Boten und natürlich auch nach Ragnhild und seinen Kindern.
Einige der Antworten konnte Walther ihm geben, andere wiederum nicht. Thiderich hatte Walther auf ihrer gemeinsamen Reise zwar viel erzählt, aber offenbar doch nicht alles. Walther spürte, dass Albert sich quälte.
Die Gedanken an seine Frau und seine Kinder schienen ihn hochzutreiben. Am liebsten wäre er wohl sofort losgeritten, doch als er sich erheben wollte, knickten seine geschwächten Beine einfach unter ihm weg. Wütend hievte er sich wieder auf seine Bettstatt und gestand sich ein, dass er wohl noch eine Weile warten musste, bevor er den Heimweg antreten konnte. Wenn doch nur dieser Thiderich endlich erwachen würde. Albert hatte so viele Fragen, doch es blieb ihm nichts anderes übrig. Er musste abwarten.
Nach weiteren zwei Tagen war es dann so weit. Thiderich öffnete die Augen.
Erleichtert, seinen Freund wieder halbwegs wohlauf zu sehen, hieb Walther ihm die Hand auf die Schulter. »Schön, dich wach zu sehen. Wurde auch Zeit, du hast dich wirklich lange genug ausgeruht«, spöttelte er.
Der Erwachte war zwar noch nicht in der Lage zu antworten, doch er schenkte den Männern ein schiefes Lächeln.
Seit diesem Tage versuchten alle drei unter großen Anstrengungen, wieder zu Kräften zu kommen. Sie wussten, dass die Zeit drängte und sie baldmöglichst aufbrechen mussten. Obwohl Albert es irgendwann gerade so schaffte, allein zu laufen, und Thiderich beim Gehen noch auf eine hölzerne Stütze angewiesen war, kam bald darauf der Tag der Abreise. Wortreich dankten sie der Alten und wünschten ihr aufrichtig alles Gute. Es war klar, dass sie ihre Retterin nie mehr wiedersehen würden, und die Betroffenheit darüber, nicht mehr für die einsame Frau vom Strand tun zu können, begleitete sie noch einige Meilen.
Hildegard von Horborg wunderte sich zwar über den seltenen Besuch, doch sie geleitete Vater Lambert freundlich zu ihrem Mann und zu Johannes vom Berge, der kurz vor dem Geistlichen in ihrem Hause eingetroffen war. Gleich darauf ging sie wieder in die Küche, wo sie den Mägden auftragen wollte, sich um das leibliche Wohl der Gäste zu kümmern. Aber die Küche war leer. Ärger machte sich in der strengen Hausherrin breit. Wo trieben sich diese Mädchen nur wieder herum? Hatte sie Ella nicht schon unzählige Male angewiesen, dass sich immer eine von ihnen bereithalten sollte, falls unerwartet Besuch auftauchte? Hildegard raffte ihre Röcke und lief in den Hinterhof. Möglicherweise würde sie dort eine Magd beim Brunnen oder im Kräutergarten antreffen. Doch auch hier wurde sie enttäuscht. »Verdammt«, fluchte sie leise vor sich hin. »Dieses Verhalten werde ich nicht durchgehen lassen.« Entschieden hastete sie zurück in die Küche, wo sie selbst alles Notwendige zusammentrug, um die durstigen Herren zu bewirten. Gleich darauf flog sie schwer beladen wieder die Stiegen hinauf. Als sie vor der verschlossenen Tür versuchte, den vollen Krug und die Becher in der linken Armbeuge zu balancieren, um mit der rechten Hand die schwere Holztür öffnen zu können, schwappte ein Teil des Weins aus dem Krug.
Auch das noch, kam es ihr in den Sinn. Missmutig stieg sie über die Pfütze hinweg, bediente ihre Gäste und ging
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