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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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dann gleich darauf einen Lumpen holen, um die Sauerei damit aufwischen zu können.
    Wofür habe ich eigentlich Mägde?, fragte sich Hildegard ärgerlich, als sie auf den Knien den Boden reinigte. Noch während sie vor sich hin grollte, begann hinter der Holztür eine hitzige Debatte zwischen den Männern. Sie horchte auf, denn sie konnte nicht umhin, jedes einzelne Wort mit anzuhören. Es war Vater Lamberts aufgeregte Stimme, die sie zuerst vernahm.
    »Was war nur in Euer Weib gefahren, Johannes? Sie hätte die Dame Ragnhild mit dem Stoß in das Nikolaifleet töten können. Es gab einen Plan; warum hat sie sich nicht daran gehalten? Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn jemand gesehen hätte, dass die Dame Ragnhild nicht selbst gesprungen ist, sondern gestoßen wurde. Dann wären wir aufgeflogen. Gott sei Dank konnte sie sich am Tage darauf an nichts mehr erinnern.«
    Nun antwortete Willekin von Horborg. »Unsinn. Es bestand zu keiner Zeit die Gefahr, dass unser Plan scheitert. Ihr seid ein Hasenfuß. Eure Feigheit wird es sein, die uns noch eines Tages verrät. Die Angst steht Euch bei jeder Messe förmlich ins Gesicht geschrieben. Reißt Euch gefälligst zusammen, Mann!«
    »Aber, aber, meine Herren«, beschwichtigte Johannes vom Berge die beiden. »Lasst uns nicht streiten. Es ist doch alles bestens gelaufen. Willekins Tochter hat das Kräutergebräu, wie abgesprochen, durch Domina Heseke an Domina Luburgis weitergereicht, und diese hat damit die Sinne der Dame Ragnhild vernebelt. Sie wird niemals erfahren, dass sie nicht selbst gesprungen ist. Domina Heseke war doch gezwungen, zu härteren Mitteln zu greifen, nachdem sich die Dame Ragnhild ja offensichtlich nicht freiwillig dazu entschließen konnte, in das Kloster einzutreten. Schließlich wurde der Rat langsam ungeduldig, und die geplante Hochzeit mit Symon von Alevelde musste unbedingt verhindert werden. Wen interessiert es jetzt noch, was gewesen ist? Die Dame Ragnhild weilt im Kloster der Blauen Schwestern, und ihre Kinder erfüllen endlich den Zweck, die Nachkommenschaft meiner Familie zu sichern.«
    Hildegards Mund war, ohne ihr Zutun, aufgeklappt. Sie konnte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. Die Pfütze zu ihren Knien breitete sich unbemerkt immer weiter aus und durchnässte bereits den Stoff ihres Kleides.
    Träumte sie etwa? Hatte sie sich verhört? Alles in der redlichen Hildegard weigerte sich zu glauben, dass ihr eigener Gemahl zu solchen Schandtaten fähig war. Leider bestand aber nicht der geringste Zweifel. Sie hatte die Worte laut und deutlich vernommen. Noch immer war sie wie erstarrt. Was sollte sie tun? Sollte sie sich jemandem anvertrauen? Würde ihr überhaupt irgendjemand Glauben schenken? Obwohl sie aus gutem Hause kam, war sie doch bloß ein Weib. Selbst wenn sie undenkbarerweise erwägen würde, dem Vogtgericht von dem Erlauschten zu erzählen, hätte sie zunächst ein Problem. Denn als Frau dürfte sie ohne einen männlichen Vormund sowieso keine Forderung vor Gericht erheben. Wut stieg in ihr hoch. Wut darüber, dass sie als Frau solch einer Ungerechtigkeit machtlos gegenüberstand, und Wut darüber, dass ihr eigener Ehemann hinter ihrem Rücken solch schlimme Taten beging. Wie sollte sie mit diesem Wissen weiterleben? Womöglich versündigte sie sich sogar selbst, wenn sie sich niemandem anvertraute. Andererseits versündigte sie sich auch dann, wenn sie es tat, denn als gute Christenfrau hatte sie ihren Mann zu ehren und ihm zu gehorchen.
    Dann hörte sie das Gepolter der schweren Holzsessel im Inneren des Raums. Gleich würden die Männer herauskommen; man durfte sie nicht entdecken. Schnell nahm sie den Rest des Weins mit ihrem Lumpen auf und lief hinunter in die Küche.
    Ella stand an der Kochstelle und rührte fleißig in einem dampfenden Kessel. Vor wenigen Augenblicken noch hatte Hildegard gute Lust gehabt, ihrer Magd den Kopf zurechtzurücken. Doch nun war sie so in Gedanken, dass sie einfach an ihr vorbeilief, den Lumpen in einen Eimer in der Ecke warf und mit wehenden Röcken wieder aus der Küche verschwand.
    Kurz darauf hörte die erstaunte Ella nur noch die Tür, die nach draußen führte, laut ins Schloss fallen.
    »Ehrenwerte Magistra, Ihr habt nach mir schicken lassen?«, fragte Ragnhild schüchtern durch einen schmalen Türschlitz.
    »Kommt herein, Schwester Ragnhild«, sprach die alte Frau von ihrem Bett aus. »Schließt die Tür hinter Euch und setzt Euch zu mir.«
    Ragnhild tat, wie ihr geheißen.

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