Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
sagen wir, bis Februar vielleicht?« Ecbert von Harn unterstrich seine Andeutung mit einem unschuldigen Blick an die Decke. Dann sprach er sein Misstrauen laut aus. »Es drängt sich mir der Verdacht auf, dass Ihr verhindern wolltet, dass Albert von Holdenstede in der kommenden Wahl in den Rat gewählt wird. Schließlich wird er noch dieses Jahr das Mindesteintrittsalter von fünfundzwanzig Jahren erreichen.« Ziemlich zufrieden mit sich und seiner Theorie, lehnte der Ältere sich nun wieder an die Lehne seines Gestühls und fuhr, an alle Männer gerichtet, fort: »Bevor wir uns um Größeres kümmern, sollten wir erst einmal in den eigenen Reihen aufräumen, wie mir scheint.«
Es war totenstill im Saal, und dennoch spürte man eine Art heimliches Einvernehmen zwischen den Ratsherren. Die Selbstsicherheit, mit der von Harn seine Beschuldigung ausgesprochen hatte, war wohl der Hauptgrund für Conrads Atemaussetzer. Er musste etwas erwidern, doch die Worte wollten seinen Mund nicht verlassen. Sein Hals war wie zugeschnürt. Er spürte die Blicke der Ratsherren auf sich. Gegen seinen Willen schoss ihm die Röte ins Gesicht. Niemals hätte er gedacht, dass seine Absichten derart offensichtlich waren. Das Gefühl, wie ein Kind beim Klauen von Kuchen ertappt worden zu sein, breitete sich in ihm aus und kroch unangenehm in ihm hoch. Leider jedoch völlig zu Recht, denn von Harn hatte mit seiner Anschuldigung schließlich den Nagel auf den Kopf getroffen.
Noch immer stand Conrad auf seinen nun weicher werdenden Beinen. Mit Erschrecken stellte er fest, dass niemand bereit zu sein schien, für ihn Partei zu ergreifen. Selbst diejenigen, deren Loyalität er sich vor wenigen Momenten noch sicher gewesen war, trauten sich nicht, gegen den hohen Ratsherrn anzugehen. Was für Feiglinge, dachte Conrad angewidert. Ausgerechnet heute war Willekin von Horborg nicht zugegen. Doch nicht genug damit, dass ihn seine vermeintlichen Freunde nicht verteidigten, es wurde sogar noch schlimmer. Zaghaft fingen die ersten Männer an, zustimmend zu nicken.
Conrad konnte nicht fassen, was hier geschah. Er musste etwas unternehmen, wenn er nicht wollte, dass diese Unterredung ein böses Ende nahm. Endlich fand er seine Sprache wieder. »Was … was hat das alles zu bedeuten? Ist das eine Verschwörung? Sprecht gefälligst, Ihr Hunde!« Seine Stimme überschlug sich und hatte zu seinem Verdruss mittlerweile an Lautstärke eingebüßt.
Nun war es wieder Esich, der dazwischenging.
»Meine Herren, das ist doch keine Art. Conrad, setzt Euch wieder«, befahl er mit einer beschwichtigenden Handgeste. »Ich muss zugeben, ich bin erstaunt über den Verlauf der bisherigen Sitzung; und ich bin erstaunt über die Vorwürfe Eurerseits, Ecbert von Harn. Wie es aussieht, seid Ihr nicht der Einzige, der so über Albert von Holdenstedes Flandernfahrt denkt. Ich selbst habe die Zustimmung erteilt, und ich konnte, außer der späten Zeit im Jahr, nichts Anstößiges an dieser Reise finden. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass ein Schiff so spät im Jahr den Hafen verlässt. Noch hat die Winterlage schließlich nicht angefangen.«
Unendlich froh über die unvorhergesehene Rückendeckung des Bürgermeisters, normalisierte sich Conrads Atem langsam.
»Verzeiht, ehrenwerter Bürgermeister Esich, aber ich muss Ecbert zustimmen.« Es war der bedeutende Kaufmann Bertram Schele, der nun redete. »Die Einwände Ecberts betreffen nicht nur die Zeit der Reise, sondern auch die Wünsche des verstorbenen Conradus von Holdenstede, welche nicht eingehalten werden.«
Schele war ein alter Freund von Conrads Vater. Bei genauerem Hinsehen konnte man eigentlich lauter alte Freunde seines Vaters ausmachen. Er war zeit seines Lebens überaus beliebt gewesen und deshalb bis zu seinem Tode ein Mitglied des Rates. Gerechtigkeit und Freundlichkeit; das hatten alle an ihm geschätzt. Doch sein Sohn Conrad von Holdenstede hatte wenig, sehr wenig vom Wesen des Vaters geerbt. Schon gar nicht sein umsichtiges Vorgehen bei Disputen.
»Von was für Wünschen sprecht Ihr, Schele?«, fuhr er den Kaufmann barsch an.
»Ihr wisst, wovon ich spreche, von Holdenstede. Ihr wisst, wovon wir alle sprechen. Euer Vater hätte Gerechtigkeit gewollt und nicht diese einseitige Machtverteilung, die in Eurem Haus vorherrscht.«
»Was mein Vater wollte, steht in seinem Testament. Es wurde vom Rat für gültig erklärt und sogar von Euch selbst unterzeichnet. Ich verstehe also nicht, wovon Ihr da
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