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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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der Stadt bleiben. Die Genehmigungen wurden ihnen bereits erteilt. Wenn es dazu sonst keine Anmerkungen gibt, würde ich gerne sofort zum eigentlichen Thema der heutigen Sitzung kommen.«
    Fast hätte Esich einfach weitergesprochen, als Ecbert von Harn das Wort ergriff. »Ich hätte da noch etwas, das Conrad von Holdenstede betrifft.«
    Alle Köpfe drehten sich dem streitbaren Alten zu, der in dem Ruf stand, zum einen immer das letzte Wort haben zu wollen und zum anderen überaus scharfsinnig zu sein.
    Nach einem zustimmenden Nicken des Bürgermeisters forderte der verblüffte Conrad selbst ihn auf: »Bitte, von Harn, sprecht frei heraus.«
    Ecbert gönnte sich eine provokante Pause. Bevor er anfing, lehnte er seinen Rücken auffallend langsam an die geschnitzte Lehne seiner Holzbank und wählte die kommenden Worte mit Bedacht. »Ich wüsste zu gern, warum Ihr Euren Bruder Albert zu so später Zeit im Jahr nach Flandern schickt? Noch dazu mit einem Auftrag, der bis zum Frühjahr hätte warten können?« Nachdem er diese Worte mit Blick auf seine Fingernägel ausgesprochen hatte, schaute er Conrad jetzt direkt ins Gesicht.
    »Was genau soll das heißen?«, fragte Conrad entrüstet. »Bin ich Euch plötzlich Rechenschaft über meine Geschäfte schuldig? Ich habe die Genehmigung für diese Reise erhalten, und die Gründe gehen ja wohl nur mich etwas an.«
    »Aber, aber. Was provoziert Euch diese Frage denn so?«, erkundigte sich von Harn gespielt gleichgültig. »Ist es denn nicht so, dass Ihr Euren Bruder die letzten Jahre auffallend wenig in die Geschäfte eingebunden habt? Unter Beachtung dieser Tatsache, die Ihr ja wohl kaum abstreiten könnt, sollte meine Nachfrage wohl gestattet sein.«
    Aufgebrachtes Gemurmel erhob sich im Raum. Tatsächlich war es äußerst unüblich, einem Kaufmann eine solche Frage zu stellen. Doch Bertram Esich bat die Herren mit einem Handzeichen um Ruhe, damit Ecbert von Harn fortfahren konnte.
    »Was also bewegt Euch zu Eurem Großmut, ihm einen derart unverschiebbar wichtigen Auftrag zu erteilen?« Niemandem im Saal entging der höhnische Unterton, der auf den Worten » unverschiebbar wichtigen Auftrag « lag.
    Conrad sah sich erbost um, doch keiner der Anwesenden schien so empört über die Frage wie er. Ganz im Gegenteil, viele schauten eher begierig; voller Neugier auf die Antwort wartend. Hier hatte er offenbar keine Hilfe zu erwarten. Wütend sprang er auf und knallte die Handflächen auf die massive Holztischplatte. »Was erlaubt Ihr Euch, von Harn? Ich werde Euch ganz sicher nicht über meine Absichten in Kenntnis setzen. So viel Unverfrorenheit empört mich zutiefst.«
    Conrad versuchte zu verbergen, dass ihm heiß und kalt zugleich wurde. Trotz des hohen Ansehens seines verstorbenen Vaters genoss er selbst noch lange nicht das Vertrauen aller alteingesessenen Ratsmitglieder. Einige der Extramanentes schienen ihm gegenüber mit den Jahren ein gewisses Misstrauen aufgebaut zu haben, das war Conrad nicht entgangen. Da das Amt zum Ratsmitglied jedem Mann, der sich nicht als würdig erwies, durch Ausschluss auch wieder genommen werden konnte, hatte Conrad sich vor vielen Jahren dazu ermahnt, vorsichtiger zu sein, um sich keine einflussreichen Feinde zu machen. Offenbar war ihm das nicht ganz geglückt. Auch wenn nach außen kein Ratsmitglied dem anderen untergeordnet war, schien sich der Respekt der Mitglieder trotzdem immer parallel mit dem Lebensalter zu entwickeln. Diese Erkenntnis hatte ihn anfänglich schwer getroffen, glaubte er doch damals, beides auf einen Schlag zu erhalten – den Titel des Dominus und zusätzlich die dazugehörige Anerkennung der Ratsherren. Conrad spürte nicht zum ersten Mal, dass er noch ganz am Anfang dieser Kette stand und bei Weitem nicht die Immunität eines Ecbert von Harn besaß. Hilfe heischend sah er sich um und blieb mit dem Blick bei den beiden Bürgermeistern hängen. Niemand hatte bisher auf seinen Wutausbruch reagiert.
    Irgendwann jedoch fühlte Esich sich dann doch aufgefordert einzugreifen. »Sprecht klarer und eröffnet Euren Verdacht unmissverständlich, Ecbert von Harn.«
    Dieser hatte offenbar nur auf eine solche Aufforderung gewartet. Er lehnte sich mit verschränkten Armen auf die Tischplatte und sprach: »Ihr scheint mir nicht gezögert zu haben, Euren bisher eher kurzgehaltenen Bruder auf solch eine gefahrenreiche Reise zu schicken. Mir kommt es sogar fast so vor, als ob Ihr es gar nicht eilig genug haben konntet, ihn loszuwerden;

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