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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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hinter die Hügel, welche die Talmulde von Eberbach einrahmten. Und mit einem Mal erwachte in den Mauern des Klosters das Leben. Überall, sogar in den verschwiegensten Winkeln, öffneten sich Türen. Konversen – so wurden die Laien genannt, die im Kloster ihre Arbeit verrichteten – strömten zu dem langen Bau, links von der Klostergasse gelegen. Dort, zu ebener Erde, befand sich das Refektorium für die Laien und Angestellten des Klosters. Die Mönche verfügten jenseits des quadratischen Kreuzgangs über ein eigenes Refektorium. Gegenüber den Laien in deutlicher Unterzahl, hielten sie sich seltsam im Verborgenen, jedenfalls hatte Magdalena – von AbtNikolaus einmal abgesehen – noch keinen Zisterzienser zu Gesicht bekommen.
    »Das darf Euch nicht wundern«, bemerkte Wendelin Schweinehirt auf Magdalenas Frage. »Obwohl der Orden angeblich zu den demütigsten zählt, betrachten es die geistlichen Herren unter ihrer Würde, mit unsereinem ins Gespräch zu kommen. Vielleicht fürchten sie, Beelzebub könne sich in Gestalt eines Briefmalers oder einer ehemaligen Novizin bei ihnen eingeschlichen haben.«
    Staunend betrat Magdalena das Laienrefektorium. Es lag zu ebener Erde, genau unter der Zelle, die ihr zugewiesen worden war. Mit seinen wuchtigen Gewölben hätte es jeder Kirche zur Ehre gereicht. Sechs klotzige Säulen, wie Riesen in der Mitte des Raumes hintereinander aufgereiht, teilten das Refektorium in zwei Hälften wie zwei Kirchenschiffe. Die endlose Tischreihe zur Linken blieb den Hungrigen weiblichen Geschlechts vorbehalten, rechts nahmen die Männer Platz.
    In der Menge fiel Magdalenas Anwesenheit nicht weiter auf. Erst als sie neben einer wohlbeleibten Matrone mit rotem Gesicht und kräftigen Armen Platz nahm, erkundigte sich diese.
    »Du bist wohl neu hier, he?«
    Magdalena sah die Matrone prüfend an. Ihr fiel auf, dass sie ihr strohiges graues Haar unter einem derben Leinentuch verbarg, und irgendwie fühlte sie sich an ihr eigenes Schicksal erinnert.
    »Bist wohl stumm, he?«, legte die dicke Frau nach, als sie Magdalenas Zögern bemerkte. »Oder hast du was zu verbergen? Das muss dich nicht kümmern. Hier hat jeder etwas zu verbergen! Sonst wäre er nicht hier.« Und als sie noch immer keine Antwort auf ihre Frage erhielt, fügte sie hinzu: »Beim Gesinde habe ich dich jedenfalls noch nie gesehen!«
    Mit dem Finger deutete Magdalena nach oben: »Man hat mir eine Zelle außerhalb des Dormitoriums zugewiesen. Vom Fenster aus kann ich den Kisselbach sehen.«
    Die Matrone rückte eine Elle von Magdalena weg und erwiderte abfällig: »Ah, eine von den Besseren, abgehalfterte Bischofshure oder Bastard aus dem Landadel!«
    Ohne zu überlegen, holte Magdalena aus und klatschte der Frau ihre Rechte ins Gesicht.
    Einen Augenblick sah es aus, als wollte sich die Matrone mit ihrer ganzen Leibesfülle auf Magdalena werfen, aber dann wandte sie sich unerwartet um und verschwand, ohne einen Bissen zu sich genommen zu haben.
    Die Szene erregte nicht geringes Aufsehen, denn die dicke Alte nahm in der Hierarchie der weiblichen Laien den obersten Rang ein. Mit der Lust des zur Schweigsamkeit angehaltenen Ordensmannes hatte der Abt stets begierig ein offenes Ohr für alle Vorkommnisse unter den Konversen weiblichen Geschlechts. Doch nur die Matrone fand Zugang zu ihm.
    Immerhin wurde Magdalena durch ihr beherztes Auftreten gegenüber der Frau bereits am ersten Tag bekannt. Allerdings hatte sie fortan einen Feind. Das dachte sie zumindest. Umso verwunderter war Magdalena, als die Matrone, die allseits nur »die Oberin« genannt wurde, am folgenden Tag auf sie zutrat und mit honigsüßer Stimme meinte: »Es war nicht so gemeint. Wir wollen uns doch vertragen!« Dabei streckte sie ihr die schwammige Hand entgegen.
    »Schon gut!«, antwortete Magdalena schnippisch und ohne die Hand der Oberin zu ergreifen. »Wir haben alle mal einen schlechten Tag.« Sie misstraute der Frau.
    Ohne irgendeine Aufgabe verging die Zeit für Magdalena nur schleppend. Sie befand sich in einer erbärmlichen Verfassung. Den Plan, Kloster Eberbach bei nächster Gelegenheit zu verlassen, hatte sie, Schweinehirts Bedenken folgend, erst einmal aufgegeben, zumindest hintangestellt. In den einsamen Stunden, die sie mit Nachdenken verbrachte, schien ihr die Zeit mit Rudolfo und den Gauklern bisweilen wie ein ferner Traum. Der Gedanke, Gott habe Rudolfo von ihr genommen, um sie zu bestrafen, ließ sie nicht los. Planloslebte Magdalena in den Tag

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