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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Ich hoffe nur, Ihr seid keinem Rhabdomanten auf den Leim gegangen, welche sich seit Erfindung der Druckkunst in Bücherndarüber auslassen, dass gespaltene Ruten von metallischen Ausdämpfungen bewegt werden, und zwar auf ebenso geheimnisvolle Weise, wie sich die Kompassnadel gen Norden dreht. Während Letzteres jedoch von der Naturwissenschaft plausibel erklärt wird, entspringen Ruten, mit deren Hilfe die Echtheit von Reliquien bewiesen, Diebe überführt oder sündiges Treiben nachgewiesen werden sollen, menschlichem Wunschdenken. Und das gilt auch für die Schatzsuche, auch wenn es der Auffassung des großen Paracelsus widerspricht, der ein glühender Anhänger der Rhabdomantie ist.«
    Helmonts Auskunftsfreude machte den Fürstbischof und seinen Sekretär eher misstrauisch. Sie ließ den Verdacht aufkommen, der Geheimschriftgelehrte wolle eine falsche Fährte legen und sie in die Irre führen. Vor allem Kirchner, der sich seit der Vermutung, der Große Rudolfo könnte Zugang zu den ›Büchern der Weisheit‹ gehabt haben, eingehend mit dem Thema beschäftigt hatte, verfolgte Helmonts Worte mit Argwohn.
    »Aber Ihr wollt uns hoffentlich nicht weismachen«, bemerkte er spitzzüngig, »dass der Schatz des Salomo ausgerechnet in Deutschland vergraben ist!«
    Der Steganograph kniff die Augen zusammen. Dabei musterte er Kirchner abfällig und sagte: »Herr Secretarius!« Allein der Tonfall seiner Anrede war beleidigend. »Ich hätte einem Mann Eures Standes mehr Wissen zugetraut. Nehmen wir einmal an, die Templer hätten die Salomonischen Pretiosen während der Kreuzzüge an sich gebracht. Das ist keineswegs unwahrscheinlich. Irgendwoher muss der sagenhafte Reichtum der Tempelritter ja gekommen sein! Nach Auflösung des Ordens fiel der Besitz der Templer in Frankreich an die Krone, in Portugal an einen eher unbedeutenden Ritterorden und in Deutschland an die Johanniter. Deren Großprior sitzt seit hundert Jahren in Heitersheim, zwei Tagesritte von hier entfernt. Im Übrigen, werter Herr Secretarius, habe ich nie behauptet, Salomos Schätze hätten den Weg nach Deutschland gefunden.«
    Kirchner schäumte vor Wut. Ihn vor seinem Herrn so bloßzustellen war eine Unverschämtheit. Es lag ihm schon auf der Zunge, Helmont einen hinterhältigen Schriftenverdreher zu nennen, da kam ihm Albrecht von Brandenburg mit den Worten zuvor: »Wenn Er so viel weiß über den Schatz des Salomo, warum hat Er sich selbst noch nicht auf die Suche nach dem Gold des alttestamentarischen Königs gemacht?«
    »Weil ich …«, Helmont grinste verlegen und fuhr stockend fort, »weil mir nähere Angaben wie Euer Geheimwort fehlten … wie lautet es doch gleich?«
    »HICIACCOD!«, kam ihm Kirchner zu Hilfe.
    »HICIACCOD«, wiederholte Athanasius Helmont, jede Silbe einzeln betonend. Und noch einmal: »HI-CI-AC-COD.«
    Der Geheimschriftgelehrte verbarg sein Gesicht in den offenen Händen, zum Zeichen, wie angestrengt er nachdachte. Schließlich blickte er auf und sprach: »Zweifellos handelt es sich dabei nicht um ein einzelnes Wort, zum Beispiel eine Ortsbeschreibung, sondern um ein Notarikon, dessen Silben oder Einzelbuchstaben einen ganzen Satz und damit einen deutlichen Hinweis beinhalten!«
    »Er möge uns das näher erklären!«, herrschte der Fürstbischof den Steganographen an.
    Der sprang auf, dass seine Bücherkiste polternd über den Holzboden schrammte, kniete an der Wand, Albrecht gegenüber, nieder und begann, den Kopf auf die linke Schulter gelegt, die Rückenschilder der Bücher zu studieren, die dort gestapelt lagen. Nach kurzer Zeit wurde er fündig und zog eine gebundene Handschrift hervor. Die legte er auf den Tisch und tat geheimnisvoll: »Von diesem Werk gibt es nur wenige Abschriften. Es ist siebzig Jahre alt und trägt den holprigen Titel ›Buch aller verspotteten Kunst, Unglaubens und der Zauberey‹ und stammt aus der Feder Johann Hartliebs, des Leibarztes Herzog Albrechts von Baiern.«
    Liebevoll, als habe er selbst daran mitgewirkt, ließ er die Seiten durch die Finger gleiten und sprach: »Hartlieb hat sich zehngeheimer Schriften und Zauberbücher bedient, die er in privaten Bibliotheken aufstöberte, und sich ausführlich über Kristallomantie und Chiromantie, aber auch über Steganographie ausgelassen.«
    Er schlug eine Seite gegen Ende der Handschrift auf: »Nehmt das alchimistische Symbolwort VITRIOL für die Transmutation von Quecksilber oder Blei zu Gold – ein uralter Menschheitstraum. Die sieben Buchstaben,

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