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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Abend auf den Marktplätzen, dass gegen jede Krankheit ein Kraut gewachsen ist, dass du in der Lage bist, Hundertjährigen zu neuer Manneskraft zu verhelfen und mit Hilfe von Ehrenpreis die Krätze zu vertreiben, aber einen Todgeweihten willst du bedenkenlos seinem Schicksal überlassen. Was bist du doch für ein Idiot, Quacksalber!«
    Inzwischen hatte die gesamte Gauklertruppe einen Kreis um den bedauernswerten Jungen, um den Quacksalber, Rudolfo und den Anführer der aufständischen Bauern gebildet. Als wäre er auf einmal vom Geist christlicher Nächstenliebe erleuchtet worden, klatschte der Quacksalber in die Hände und rief: »Holt mir meine Truhen und Kästen vom Wagen! Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
    Die Fuhrknechte, denen das Schicksal des Jungen zu Herzen ging, wuchteten die Utensilien des Quacksalbers auf den Waldboden, und der begann die Wunde zu versorgen. Er tauchte eine Wurzel, die das unförmige Aussehen einer dicken Frau hatte, in ein Fläschchen mit einer trüben geheimnisvollen Flüssigkeit. Vorsichtig presste er die Wurzel gegen die offene Wunde, dass der Junge aufschrie und den Armstumpf hilfesuchend gen Himmel reckte. Als er den Arm sinken ließ, hatte der Schmerz nachgelassen, der Blutfluss war gestillt.
    Während der Quacksalber, ohne ein Wort zu verlieren, die Wunde mit einer Tinktur versorgte und aus einem Dutzend Phiolen einen Trunk mischte, der dem Jungen neue Lebenskraft verleihen sollte, begann der Anführer, an Rudolfo gewandt, zu erzählen: »Ein Leben lang waren sie einander spinnefeind, die Herren Fürstbischöfe und Bischöfe, die feinen Domherren, Markgrafen und das Adelsgesindel.Aber als es gegen uns ging, die einfachen Bauern, da verband sie auf einmal große Einigkeit. Wie Tiere haben sie uns vor sich hergetrieben, gestochen und gemetzelt, dass Gott erbarm. ›Stecht sie tot! Stecht sie tot!‹, riefen sie voller Hass. Mir geht der Schlachtruf nicht aus den Ohren. Am Tage vor gestern haben uns die Bündischen geschlagen. Die paar, die überlebt haben wie wir, sind in alle Himmelsrichtungen geflohen. Sie verstecken sich in den Wäldern oder überfallen unsere eigenen Leute, die Bauern, die ihnen nichts zu essen geben wollen, aus Angst vor der Rache der Bündischen.«
    Zermürbt und entkräftet lagen die Männer auf dem Waldboden. Als Rudolfo seine Leute aufforderte, ihnen aus den eigenen Vorräten, die sie in einem Truhenwagen mit sich führten, etwas abzugeben, fielen sie über das Brot her wie wilde Tiere, balgten sich um die größeren Stücke und schlugen aufeinander ein, bis der Anführer sie mit einem lauten: »He da!« zur Räson brachte.
    »Und was soll nun werden?«, erkundigte Rudolfo sich vorsichtig, aber nicht ohne Grund. Ihm ging durch den Kopf, dass sie als Gaukler wohl am falschen Ort seien und ob es nicht angebracht wäre, einen großen Bogen um Würzburg zu machen.
    »Was soll schon werden?«, antwortete der Anführer mit sarkastischem Lachen. »Nach verlorener Schlacht wird es uns jetzt noch schlechter gehen als vorher. Und was die Stadt Würzburg und ihre aufständischen Bürger betrifft, hat der Bischof ihnen bis morgen früh ein Ultimatum gestellt: Sie haben alle Waffen abzuliefern, pro Anwesen eine Entschädigung an Seine Eminenz zu zahlen, dem hohen Herrn zu huldigen, die Anführer des Aufstandes abzuurteilen und die Stadttore den Bündischen zu öffnen.«
    »Und, werden sie es tun?«
    Der Anführer hob die Schultern. »Was bleibt ihnen anderes übrig? Wenn die Würzburger den Forderungen nicht nachkommen, wollen die Bischöflichen, so war zu hören, alle Felder und Weinberge anzünden und alle Bewohner der Stadt, so sie das zwölfte Lebensjahr vollendet haben, vom Leben zum Tode befördern.«
    Mit zitternden Lippen hatte Magdalena den Worten des Anführers gelauscht. Melchior hielt ihre Hand und versuchte sie zu beruhigen: »Gaukler gelten nicht als Parteigänger der Aufständischen. Insofern haben wir auch nichts zu befürchten. Du kannst beruhigt sein.«
    Inzwischen hatte der Quacksalber die medizinische Versorgung des verletzten Jungen beendet und begann seine Utensilien in Kästen und Truhen zu verstauen. Da näherte sich aus dem Wald von Westen her Pferdegetrampel. Der modrige Waldboden ließ das rhythmische Donnern der Hufe dumpf und hohl erscheinen wie Paukenschläge. Mit offenem Mund lauschte der Anführer in die Richtung, aus der die Geräusche kamen.
    »Die Bündischen!«, zischte er. Im Nu rappelten sich die Aufständischen hoch und

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