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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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ergriffen die Flucht nach Osten. Einer von ihnen humpelte, auf einen krummen Stecken gestützt, hinterher. Ebenso der Junge, den der Quacksalber versorgt hatte.
    Kaum waren die beiden im Dickicht verschwunden, sprengte ein stattlicher Reiter auf einem Rappen auf die Lichtung, gefolgt von einem feisten Reitersmann, dessen schwarz-weiße Kleidung unschwer als die Tracht eines Domherrn zu erkennen war. Der stattliche Reiter zügelte sein Pferd, dass es sich mit den Vorderläufen mehrmals hintereinander aufbäumte, bis es endlich vor dem Großen Rudolfo zum Stehen kam. Der Domherr tat es ihm gleich, wenn auch nicht mit derselben Eleganz.
    Während ein Dutzend weiterer Reiter eintrafen, sprang der erste von seinem Pferd und trat vor Rudolfo hin: »Wer bist du? Nenne deinen Namen.«
    »Ich bin der Große Rudolfo.« In seiner Antwort las eine gewisse Überheblichkeit, sodass Magdalena in Erwartung eines heftigen Donnerwetters den Kopf einzog. Vor allem, als Rudolfo fortfuhr: »Ich bin der König der Gaukler. Und wer seid Ihr?«
    »Ich bin der Truchsess Georg von Waldburg, den sie auch den Bauernjörg nennen, der oberste Feldhauptmann Seiner kaiserlichen Majestät, des Fürstbischofs von Würzburg, des Erzbischofs vonMainz, des Erzbischofs von Trier, des Kurfürsten von der Pfalz und des Herzogs von Baiern.«
    »Angenehm«, erwiderte Rudolfo, als wäre das die größte Selbstverständlichkeit. »Ihr habt sicher von mir gehört!«
    »Nicht, dass ich wüsste«, bemerkte der Feldhauptmann, nun doch etwas ungehalten ob der Kaltschnäuzigkeit des Gauklers, und fuhr fort: »Aber vielleicht hast du schon einmal vom Bauernjörg gehört?«
    Die umstehenden Reiter feixten.
    »Da muss ich Euch nun meinerseits enttäuschen, hoher Herr. Ein Truchsess, so nanntet Ihr Euch wohl, läuft einem Gaukler nicht alle Tage über den Weg.«
    Da lachten auch die Gaukler, die das Gespräch in der Waldlichtung mit bangen Mienen verfolgt hatten.
    Dem Feldherrn Seiner Majestät schien die Unterhaltung aus dem Ruder zu laufen. Jedenfalls war er nicht gewohnt, dass man ihm auf Augenhöhe und noch dazu mit einer guten Portion Mutterwitz begegnete.
    Deshalb meinte er in barschem Tonfall: »Kann er mir vielleicht erklären, warum er sich anmaßt, sich den König der Gaukler zu nennen und den Großen Rudolfo. Ich meine, so groß ist er auch wieder nicht!«
    »Nicht an Körpergröße! Da mögt Ihr recht haben, hoher Herr. Aber was mein Können angeht, gelang es noch keinem, mich und meine Kunst zu übertreffen.«
    »Und worin besteht deine Kunst, Gaukler?«
    »Ich tanze auf einem Seil auf die höchsten Kirchtürme, als wäre es die einfachste Sache der Welt. Das kann nur einer, der Große Rudolfo!« Dabei reckte er den rechten Arm mit einer eleganten Bewegung in die Höhe und hielt inne, als warte er auf tosenden Applaus.
    »Und das übrige Gauklervolk?« Georg von Waldburg blickte abfällig in die Runde und musterte jeden Einzelnen. Als sein Blick auf Magdalena fiel, hielt er inne.
    Magdalena senkte die Augen. Sie war nicht gewöhnt, dem festen Blick eines Feldherrn standzuhalten. Der feiste Domherr, der das Gespräch der beiden eher teilnahmslos verfolgt hatte, trat an den Feldhauptmann heran und raunte ihm etwas ins Ohr.
    »So antworte er doch auf meine Frage!«, fuhr er den Großen Rudolfo an.
    »Nun ja«, begann Rudolfo umständlich, »wir bringen das Volk mit allerlei Kunststücken zum Staunen, mit Possen zum Lachen, und im Übrigen befriedigen wir die Neugierde der Menschen, die Lust auf Sensationen. Aber all das ist wohl nicht das Richtige in diesen leidvollen Tagen.«
    »Was redest du, Gaukler«, erwiderte der Truchsess von Waldburg entrüstet. »Gerade in schlechten Zeiten braucht das Volk Ablenkung. Ihr kommt also gerade recht.«
    Doch dieser Ansicht trat Rudolfo mit Nachdruck entgegen: »Hoher Herr, es mag ja sein, dass das Volk der Ablenkung von seinen Sorgen und Nöten bedarf. Aber in solchen Zeiten sitzt die Münze nicht so locker, dass man sie den Gauklern in den Hut würfe. Nein, wir werden nach Westen weiterziehen, nach Brabant, wo die Habsburger regieren und seit Jahren Frieden herrscht.«
    »Die Habsburger laufen euch nicht davon«, erregte sich Georg von Waldburg. »Und was die Münzen in eurem Hut betrifft, Gaukler, so soll es euer Schaden nicht sein, die Bewohner Würzburgs mit euren Künsten zu erfreuen. Sagen wir zehn Gulden pro Tag und zwei Groschen Zehrgeld für jeden.«
    Der Große Rudolfo verzog das Gesicht, als müsste er über

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