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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Aufbruch.
    Da trat ihm der Marktschreier, in der Truppe verantwortlich für die Finanzen, entgegen: »Gnädiger Herr, mit Eurem Truchsess Georg von Waldburg wurde ein Honorar von fünfzig Gulden vereinbart und zwei Groschen Zehrgeld für jeden über drei Tage. Ich möchte Euch nicht bedrängen, aber doch fragen, wann und wo wir über die Summe verfügen können.«
    Die Lakaien setzten den Tragestuhl, den sie schon aufgenommen hatten, wieder ab, und der Bischof blickte unverschämt lachend auf die herumstehenden Dompröpste. Beflissen erwiderten diese das dummdreiste Gelächter, als würden sie die Antwort Seiner Exzellenz bereits kennen:
    »So, so«, erwiderte der Bischof und rieb sich die behandschuhten Hände, »der Truchsess Georg von Waldburg hat euch fünfzig Gulden versprochen. Scheint ein großzügiger Mann zu sein. Soll er doch begleichen, was er versprochen hat. Nur leider ist der Truchsess längst über alle Berge!«
    »Aber er sprach in Eurem Namen, gnädiger Herr Bischof!«
    Der Mann in Purpur schüttelte den Kopf und tat entrüstet: »Was sich dieses Landsknechtvolk doch alles erlaubt! Gott der Herr möge den Truchsess strafen.«
    Während einige Pröpste die Köpfe einzogen und verschämt einKreuzzeichen schlugen, pufften sich die anderen in die Seite und feixten.
    »Aber ich will«, fuhr der feiste Bischof fort, »euch mit Großmut und christlicher Nächstenliebe begegnen, wie es meinem hohen Amt zukommt. Findet euch zur Abendsuppe im ›Grünen Baum‹ ein. Man soll den Gauklern etwas Warmes vorsetzen und einen Schoppen. Und morgen seid ihr alle verschwunden. Wir verstehen uns!«
    In Begleitung der Landsknechte verschwand Bischof Konrad in Richtung der Mainbrücke, noch ehe der Große Rudolfo wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Als der Marktschreier ihm von der Haltung des Bischofs berichtete, begann er, vielleicht auch, weil er noch immer unter dem Eindruck seines Seilaktes stand, zu toben und mit fahrigen Bewegungen gegen einen unsichtbaren Gegner zu kämpfen, und es dauerte eine ganze Weile, bis er sich beruhigt hatte.
    »Wir reisen ab, noch heute!«, rief er außer sich. »Und das Warme, zu dem er uns geladen hat, soll er sich in den Hintern stecken, der feiste Herr Bischof. Unsere Vorräte reichen noch mindestens zehn Tage. Mainabwärts gibt es genügend Orte, in denen man unser Erscheinen mit klingender Münze honorieren wird: Wertheim, Miltenberg und Amorbach, Aschaffenburg und Hanau nicht zu vergessen. Ganz zu schweigen von Frankfurt. Also packt eure sieben Sachen!«
    An Magdalena waren die Ereignisse des Tages vorübergezogen wie Bilder eines Märchenerzählers. Erst als sie am Brunnen ihre Maskerade abwusch, die sie zu einer Scheintoten gemacht hatte, welche niemand sehen wollte, erst da kehrte ihr volles Bewusstsein zurück, und sie erkannte im welligen Wasserspiegel die, die sie war, Magdalena, eine entlaufene Novizin. Längst hatte sie eingesehen, dass die Freiheit, die sie gegen das strenge Klosterleben eingetauscht hatte, ein täglicher Kampf ums Überleben und mit tausend Gefahren verbunden war.
    Obwohl sie noch immer einen Gauklerwagen teilten, hatten Magdalena und Melchior sich voneinander entfernt, ohne dass eine böseAbsicht dahinterstand. Vermutlich war das Aufleben ihrer kindlichen Zuneigung nur jener Zweckgemeinschaft zuzuschreiben, die sie zusammengeführt hatte. Auch war Magdalena nicht entgangen, dass Melchior mehr und mehr die Nähe der Wahrsagerin Xeranthe suchte. Sie war keine große Schönheit; aber Männer gucken sich, wenn’s denn sein muss, sogar eine Hexe schön.
    Ihr neues Leben stellte sich als eine ständig wechselnde Abfolge von Wanderschaft und Mummenschanz, Anstrengung und Langeweile dar, und genau genommen war es ebenso nutzlos wie das Leben hinter Klostermauern – sieht man einmal davon ab, dass Letzteres eher geeignet ist, das schlechte Gewissen, mit dem man schon auf die Welt kommt, zu beruhigen.
    Derlei Gedanken gingen Magdalena durch den Kopf, als die Gauklertruppe über die Mainbrücke aus der Stadt zog. Plötzlich zupfte sie eine Hand am Ärmel. Ein kleiner Junge, nicht älter als zehn, zwölf Jahre, blickte zu ihr auf: »Ich soll den Gauklern ausrichten, dass während ihrer Abwesenheit zwei Männer in den Wagen des Großen Rudolfos eindrangen. Es waren Männer, die mit dem Bischof auf Du und Du stehen. Mein Vater weiß nicht, ob die Beobachtung von Bedeutung ist. Er meinte nur, die Gaukler sollten es wissen.«
    »Und wer ist dein Vater?«,

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