Die Frau des Seiltaenzers
wie viele Arten zu lachen gibt es?«
»Da fallen mir viele Arten ein. Beginnen wir beim befreienden Lachen, wie wir es soeben erlebt haben. Es gibt aber auch ein gegenteiliges Lachen, das skeptische Lachen. Außerdem das ironische, zynische, obszöne, überhebliche, blasierte, aggressive Grinsen oder Gelächter. Oft ist es nicht einfach zu unterscheiden, welche Absicht hinter einem Lachen steckt.«
»Das ist wohl wahr«, bemerkte der Marktschreier, und der Bettelmönch fügte beflissen hinzu: »Recte, recte« – ganz recht.
»Und was erforscht Ihr am Lachen?«, mischte sich Magdalena ein. »Ich meine, welches Ziel verfolgt Ihr mit Euren Forschungen?«
Baumbast wurde plötzlich ernst: »Wie ich schon in meiner Schrift ›Über die Medizin‹ zum Ausdruck brachte, hat das Lachen eine vorbeugende und heilende Wirkung auf Krankheiten. Gewiss könnt Ihr Euch vorstellen, dass ich mir damit unter den Anhängern der herkömmlichen Medizin nicht gerade Freunde geschaffen habe. Aber die hochgelehrten Doctores glauben auch nicht, dass es seelische Krankheiten gibt. Denkt nur an die Redewendung vom gebrochenen Herzen – keine seltene Todesursache, die keinen Schmerz kennt und bei der kein Blut fließt. Doch damit genug von Theorie und Wissenschaft. Wohin führt Euch die Reise? Lasst mich raten: nach Frankfurt zur Messe. Vermutlich seid Ihr ein Kaufmannspaar und handelt mit kostbaren italienischen Stoffen.« Dabei musterte Baumbast Magdalena abschätzend von der Seite.
Die hob die Augenbrauen, um ihre Entrüstung anzudeuten, und erwiderte: »Doktor Baumbast, Ihr mögt ein guter Naturforscher, Schriftsteller und Doktor der Medizin und Theologie sein, ein Menschenkenner seid Ihr nicht! Der Mann neben mir ist weder mein Gemahl noch sind wir Kaufleute auf der Reise nach Frankfurt. Unser Weg führt uns nach Mainz, wo wir die Ankunft unseres Herrn vorbereiten sollen.«
Dem kleinen, dicklichen Mann, dem es an Selbstbewusstsein gewiss nicht mangelte, war sein Fehlgriff sichtlich peinlich; dochdann antwortete er listig grinsend: »Ich sagte ja, lasst mich raten. Vielleicht ist Raten nicht meine Stärke.«
Im selben Augenblick wurde das Schiff von einem gewaltigen Scharren und Krachen erschüttert, welches den Flusskahn nach ein paar Ellen zum Stehen brachte. Der bärtige Schiffsmeister stürzte zum Ruderbalken, drängte den Steuermann beiseite und versuchte den schweren Kahn mit heftigen Bewegungen des Ruders wieder flott zu machen. Es half alles nichts, der Frachtkahn saß auf dem Grund des Flusses fest.
Seit Wochen hatte es nicht geregnet, und der Main führte so wenig Wasser wie seit Menschengedenken nicht mehr. Der Schiffsmeister und sein Steuermann, ein bärbeißiger Alter, dem die anwesenden Passagiere ein Dorn im Auge waren, fuhren mindestens ein Dutzend Mal im Jahr den Fluss hinauf und hinunter, sie kannten jede Untiefe und wussten genau, wo gerade mal eine Handbreit Wasser unter dem flachen Rumpf war. Aber gegen dieses Niedrigwasser waren auch sie machtlos.
Aufgeregt rannte der Schiffsmeister vom Heck zum Bug und vom Bug zum Heck und gab schließlich seinen Schiffsknechten den Befehl, einen Teil der Ladung über Bord zu werfen. Zwar begann der Frachtkahn, nachdem sich die Knechte eines guten Dutzends Sandsteinquader entledigt hatten, zu ächzen und zu scharren wie ein störrisches Maultier, er machte sogar einen Satz, als wollte er wieder Fahrt aufnehmen, doch dann grub er sich erneut in den sandigen Flussboden und rührte sich nicht mehr von der Stelle.
Von einem Lehenshof, auf Sichtweite und in halber Höhe über dem Maintal gelegen, ließ der Schiffsmeister ein Vierergespann kräftiger Ackergäule kommen. Die spannte er vor das festgefahrene Schiff und gab ihnen die Peitsche. Das Manöver gelang. Doch hatte der Steuermann Bedenken, den einmal in Fahrt gekommenen Frachtkahn ans Ufer zu lenken, damit der Schiffsmeister wieder zusteigen konnte, sodass dieser drei Rheinische Meilen am Ufer neben seinem Schiff herlaufen musste, bevor er an einer Flussbiegung,wo der Main mehr Wasser führte, zusteigen und wieder selbst das Kommando übernehmen konnte.
Darüber war es Abend geworden, und weil die Schifffahrt auf dem Main bei Nacht gefährlich und obendrein verboten war, ankerte der Schiffsmeister seinen Frachtkahn nahe dem Marktflecken Großkrotzenburg, einem uralten Besitz des Mainzer St.-Peters-Stifts. Wenn alles gut ginge, meinte der bärtige Flussschiffer, könnten sie Mainz übermorgen erreichen.
Die Havarie hatte
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