Die Frau des Seiltaenzers
sie einen halben Tag gekostet, und Magdalena hatte schon Ausschau nach Rudolfo und der Gauklertruppe gehalten, ob sie von ihnen nicht auf dem Landweg überholt würden; aber anscheinend war die Reise auf dem Fluss doch noch weitaus schneller.
Für die Nacht stellte der Flussschiffer seinen Passagieren die Kajüte im Heck des Frachtkahns zur Verfügung. Er selbst und die vierköpfige Mannschaft zogen es vor, auf einer Wiese an Land zu nächtigen.
Myriaden von Fliegen und lästigen Insekten, dazu das hundertfache Quaken der Flussfrösche waren einem erholsamen Schlaf nicht gerade förderlich. Hinzu kamen die harten Planken der Kajüte, denn die Passagiere mussten, nebeneinander aufgereiht wie die Fische auf dem Markt, auf dem blanken Boden schlafen. Nicht einmal Strohsäcke gab es – von Decken als Unterlage ganz zu schweigen.
Den Marktschreier, Doktor Baumbast und den Bettelmönch schien das weniger zu stören, denn sie fielen, kaum dass sie sich auf dem Boden ausgestreckt hatten, in tiefen Schlaf. Als hätten sie sich verabredet, stimmten sie gemeinsam eine schauerliche Kakophonie aus Schnarchen, Rülpsen, Furzen und Prusten an. Das Knarren und Ächzen des Flusskahns trug überdies dazu bei, dass Magdalena kein Auge zutat.
Auf einen Arm gestützt, döste sie vor sich hin, öffnete hin und wieder die Augen und blinzelte durch die ihr gegenüberliegendeLuke in die sternenklare Nacht. Die Kerle neben ihr wälzten sich in Abständen von einer Seite auf die andere, Grunzlaute des Missbehagens ausstoßend ob der stickigen Luft in ihrer Schlafbehausung.
Als Magdalena zum wiederholten Male die Augen öffnete, stand der Mond so tief, dass sein milchiger Lichtschein durch die offene Luke auf die Köpfe der Männer fiel. Der Bettelmönch hatte sein Gesicht zur Seite gedreht, doch beim Doktor und dem Marktschreier bot sich die Gelegenheit, ihre Züge näher zu betrachten.
Was Constantin Forchenborn betraf, entsprach seine Physiognomie seinem Charakter, jedenfalls dem, den er ihr gegenüber an den Tag legte: Eine harte, beinahe kantige Augenpartie mit einer scharf geschnittenen, schmalen Nase führte zu einem Mund voller Sinnlichkeit – ein Äußeres, das manches Rätsel aufgab. Es war nicht verkehrt, den Marktschreier als rücksichtslos, hochfahrend, listig und ichbezogen zu bezeichnen. Fraglos war ihm auch eine gewisse Warmherzigkeit und Sinnenfreude zu eigen, ein Zusammenspiel höchst unterschiedlicher Eigenschaften und dazu angetan, Magdalenas Misstrauen ihm gegenüber zu schüren.
Ganz anders Doktor Baumbast. Sogar im Schlaf trug der untersetzte, dickliche Mann die Last seiner vielfältigen Berufe zur Schau. Sein verhärmtes Gesicht, das vor allem von einer hohen gefurchten Stirn geprägt wurde, die tief liegenden Augen und seine nach unten gezogenen Mundwinkel verrieten Zweifel und Verzweiflung am Weltgeschehen und dass er mit der Buchstabenwissenschaft auf Kriegsfuß stand. Wenn Baumbast nicht gerade schnarchte oder die Luft pfeifend durch die Nase entweichen ließ, formte er mit den wulstigen Lippen unverständliche Worte, wobei sein Atem stockte, als stürbe er einen kleinen Tod.
Einmal glaubte Magdalena eines seiner Worte zu verstehen. Halblaut gemurmelt, klang es wie Satan oder so ähnlich. Doch auch wenn er im Traum mit dem Teufel redete, schien ihr dies nicht verwunderlich bei einem so seltsamen Kauz. Wer weiß, vielleicht hatte er verschwiegen, dass er noch einen weiteren Beruf ausübte: den desAlchimisten, der mit dem Teufel im Bunde stand wie die meisten seiner Zunft.
Wenngleich Religion und Anstand verboten, den im Schlaf gesprochenen Worten eines anderen zu lauschen, war die Sünde in ihr stärker als der fromme Glaube, die Neugierde größer als die Zurückhaltung. Vor allem, als er immer öfter und deutlicher stammelte, konnte Magdalena nicht umhin, dem schlafenden Naturforscher ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen.
Wie eine gerechte Strafe Gottes schien es da, als Baumbast augenblicklich verstummte und kein einziges Wort mehr von sich gab. Todmüde war Magdalena nahe daran einzuschlafen, da vernahm sie murmelnd, aber klar und deutlich wieder Baumbasts Stimme: Satan – Adama – Tabat – Amada – Natas …
Magdalena erschrak zutiefst. Sie erschrak so sehr, dass kaltes Grauen ihr Innerstes erfüllte und kalter Schweiß auf ihre Stirne trat. Sie richtete sich auf, warf Baumbast einen flüchtigen Blick zu, fand ihn schlafend, schnarchend, als wäre nichts geschehen. Zweifel kamen auf, ob sie
Weitere Kostenlose Bücher