Die Frau des Seiltaenzers
hundert Jahren arbeiteten sie sich hoch und erwarben das Monopol auf dem Kupfermarkt mit eigenen Bergwerken, Transportwegen und Handelshäusern. Mit dem verdienten Geld gründeten sie ein Bankhaus, welches inzwischen Kaiser und Könige und den gesamten Hochadel zu seinen Kunden zählt. Zu seinen besten Kunden gehört die Kirche. Du weißt, die Kirche darf keine Zinsen nehmen, die Fugger schon. Was also tun der Papst, die Herren Fürstbischöfe, Dompröpste und andere Pfaffen? Sie übereignen ihr Geld fürgewisse Zeit dem Bankhaus Fugger und holen es später wieder ab, mit Zins und Zinseszins. Aus 100000 Gulden, die der Fürstbischof von Brixen bei den Fuggern anlegte, wurden auf diese Weise mit dem Segen des Allerhöchsten 300000. Natürlich verdienten dabei die Fugger ihren Anteil.«
»Und das findest du recht? Dass die Armen am Hungertuch nagen und die Reichen im Schlaf immer reicher werden?«
Matthäus hob die Schultern: »Zumindest ist es kein Unrecht.«
»Luther, der Mönch aus Wittenberg, sagte: ›Man müsste dem Fugger und dergleichen einen Zaum ins Maul legen!‹«
»Ich kenne seinen Ausspruch, aber sei versichert, nicht alles, was Luther sagte, ist weise. Dabei will ich keineswegs seinen Gegnern, Albrecht von Brandenburg und Konsorten, das Wort reden. Aber Geld ist nun mal eine verderbliche Ware wie Milch und Butter und zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt.«
»Du redest, als könnte man mit Geld alles kaufen!«
» Fast alles«, korrigierte sie der Gesandte. »Immerhin hat Jakob Fugger sich einen Kaiser gekauft.«
Magdalena warf Matthäus einen ungläubigen Blick zu.
Da fuhr der Gesandte fort: »Bei der Kaiserwahl vor sechs Jahren gab es zwei Widersacher, den neunzehnjährigen Karl von Burgund und den fünfundzwanzigjährigen König Franz von Frankreich.«
»Die Kurfürsten wählten den jüngeren Karl.«
»Und warum?«
»Wahrscheinlich war er der bessere Kandidat!«
Matthäus lachte: »Willst du die Wahrheit hören?«
»Natürlich!«
»Franz bot den Kurfürsten 300000 Gulden dafür, dass sie ihn wählten.«
»Warum haben sie ihn dann nicht gewählt?«
»Weil Jakob Fugger, dem der Franzose nicht genehm war, den Kurfürsten sage und schreibe 852000 Gulden bot! So wurde Karlmit neunzehn Jahren römisch-deutscher Kaiser. Ich selbst habe die Zahlscheine unterschrieben.«
Magdalena blies die Luft geräuschvoll durch die Lippen und nahm einen tiefen Schluck aus dem Humpen. Sie ließ es sich nicht anmerken, doch tief in ihrem Innersten empfand sie große Bewunderung für den Gesandten, der über Geldsummen redete, die für sie unvorstellbar waren, und heimlich tastete sie unter der Tischplatte nach ihrer Geldkatze, ob die 50 Gulden des Fürstbischofs noch da waren.
Der Gedanke, dass Geld sich von selbst vermehrte wie ein Saatkorn, das eine ganze Ähre von neuen Körnern hervorbringt, versetzte sie in rasende Neugier. Davon hatte sie noch nie gehört. Unwillkürlich musste sie an ihren Vater denken, der oft gesagt hatte: »Für Geld kann man den Teufel tanzen lassen.« Seine Worte hatten sie, damals noch ein Kind, stets erschreckt, ja, verängstigt, weil sie sich immer vorstellte, dass der Teufel, sobald sie eine Münze in der Hand hielt, aus dem dunklen Wald hervorträte und einen wilden Tanz aufführte, seinen Kuhschwanz schwinge und mit den Bocksfüßen den Boden stampfe.
Während sie ihren Gedanken nachhing, erhob sich an einem der Tische ein Lautenspieler, dem bisher niemand Beachtung geschenkt hatte. Begleitet von traurigem Zupfdideldei, trug er ein vielstrophiges Lied vor, das von der Herrin eines edlen Ritters handelte, der sich auf einen langen Kreuzzug begab. Allein und verlassen suchte die Edelfrau Trost beim Koch des Schlosses, was nicht ohne Folgen blieb: Die Edelfrau brachte eine Tochter zur Welt. Bei der Rückkehr des Ritters beichtete die Herrin ihren Fehltritt, worauf der Edelmann seine Frau, den Koch und das Kind im Vorratskeller einmauern ließ, wo sie elend zugrunde gingen.
Den Zechern ging das Lied weniger zu Herzen als Magdalena. Sie grölten und machten schmutzige Bemerkungen, und als der Lautenspieler einen abgetragenen Hut herumreichte, fand sich keiner, der ein Scherflein für ihn übrig hatte. Ohne zu überlegen, griffMagdalena in ihre Geldkatze, zog eine Münze hervor und warf sie dem Sänger zu.
Die Münze klatschte auf den Boden, aber jeder konnte sehen, dass es ein ganzer Gulden war. Erst jetzt wurde Magdalena bewusst, dass sie den Lautenspieler mit einem kleinen
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