Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
darauffolgenden Jahres errangen die Täufer die Macht in der Stadt. Knipperdolling wurde zum Bürgermeister ernannt. Die Spannungen in Münster verschärften sich. Katholiken und Lutheraner verbündeten sich gegen die Täufer und griffen zu den Waffen. Eine gewaltsame Auseinandersetzung konnte im letzten Moment durch eine Einigung verhindert werden, die den Täufern die volle Glaubensfreiheit zusicherte. Da ein solcher Kompromiss im Gegensatz zum kaiserlichen Mandat stand, beschloss der Münsteraner Bischof Franz von Waldeck, die Aufrührer zu vertreiben, und versammelte ein Heer, das er vor die Tore der Stadt führte.
Aus dem gesamten Reich strömten mittlerweile Anhänger der Täuferlehre nach Münster. Auch der niederländische Prophet Jan Matthys traf hier ein und trieb die gewaltsame Übernahme der kompletten Stadt voran. Bald darauf wurden die Kirchen der Stadt von den Täufern verwüstet und die Symbole des alten Glaubens zerstört. Im Februar des Jahres 1534wurde jeder Altgläubige, der sich weigerte, die Erwachsenentaufe zu empfangen, dazu gezwungen, die Stadt zu verlassen. Viele Männer kehrten Münster den Rücken, die meisten von ihnen ließen jedoch ihre Frauen zurück, damit diese weiterhin das Eigentum an ihren Häusern beanspruchen konnten. So erklärt sich auch, warum nach den Vertreibungen die Zahl der Frauen die der Männer in der Stadt um ein Vielfaches überstieg.
Und während Bischof Franz von Waldeck seine Landsknechte und Kanonen vor Münster in Stellung brachte, kündigten Fanatiker wie Jan Matthys oder Jan Bockelson aus Leyden in ihren Offenbarungen das göttliche Strafgericht an, das schon bald über die Welt hereinbrechen würde. Sie bezeichneten Münster als das Neue Jerusalem und versprachen ihren Gefolgsleuten, dass nur dieser gesegnete Ort Schutz vor den Flammen des Jüngsten Gerichts bieten würde.
Dies nun ist die Situation, die die Helden dieses Romans vorfinden, nachdem es ihnen gelungen ist, in Münster einzudringen. Über das, was in Münster nach der Vertreibung der Katholiken und Lutheraner vor sich ging, gibt es viele Spekulationen. Die wichtigste Quelle ist wahrscheinlich die Schilderung des Schreiners Heinrich Gresbeck, der am 24. Mai 1535 aus Münster geflohen war und einen ausführlichenBericht über die Vorfälle im Königreich der Täufer verfasst hat.
Ein weiterer Chronist der münsterschen Wiedertäufergeschichte ist Hermann von Kerssenbrock, der im Knabenalter die Vorgänge in der Stadt bis zu seiner Ausweisung im Februar 1534 miterlebte. In späteren Jahren wertete er zahlreiche schriftliche Quellen und Augenzeugenberichte über die Täuferherrschaft in Münster aus und verfasste in lateinischer Sprache eine ausführliche Abhandlung der damaligen Geschehnisse.
Es bleibt die Frage, ob diese Berichte ein realistisches Bild der Vorgänge wiedergeben. Gresbeck war zum Zeitpunkt seiner Aussagen ein Gefangener des Bischofs, und Kerssenbrock brachte als überzeugter Katholik den Täufern eine tiefe Abneigung entgegen.
In meinem Roman habe ich mich weitgehend an den überlieferten Ereignissen orientiert, aber natürlich auch meine eigene Phantasie miteingebracht. Man darf annehmen, dass Vorkommnisse wie der misslungene Sturmangriff der Belagerer, Jan Bockelsons Königskrönung, die Einführung der Vielehe sowie der nach Johann Dusentschurs fataler Prophezeiung vom König im letzten Moment abgewendete Auszug aus Münster wohl auf Tatsachen beruhen. Neben den wichtigen Täuferpersönlichkeiten besitzen auch einige andere Personen dieses Buches einenhistorischen Hintergrund. In der Ämteraufstellung der königlichen Hofordnung findet man die Namen der Küchenmeister Bernt von Zwolle und Peter Symesen sowie den des Kredenzmeisters Gert Ribbenbrock. Auch der Scharfrichter Nilan wird in den historischen Aufzeichnungen erwähnt. Figuren wie Emanuel Malitz und seine Gefährten, der Prädikant Hermann Ollrich, Anton und Melchior Kribbe sowie Everhard und Amalia Clunsevoet sind hingegen meiner Phantasie entsprungen.
Die Geschichte der Täufer begann nicht in Münster, und sie endete dort auch keineswegs. Kirchengemeinschaften und Freikirchen wie die Mennoniten, Hutterer oder Amish haben ihre Wurzeln in der reformatorischen Täuferbewegung und leben auch heute noch nach diesen Grundsätzen.
NACHWORT
Wie ich es schon in der historischen Anmerkung erwähnt habe, finden sich nur wenige zeitgenössische Augenzeugenberichte über die Täuferherrschaft in Münster. Für den
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