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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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wurde berichtet, dass der ehemalige Täuferkönig eine Stunde lang die Marter ertragen musste. Der Scharfrichter riss ihm mit einer glühenden Zange Fleischstücke vom Körper, bevor er Bockelson erlöste und ihm den Kopf abschlug.
    Wir hielten uns zur damaligen Zeit in Warendorfauf, kaum eine Tagesreise von Münster entfernt. Trotz der Nähe verzichtete ich darauf, diesem Spektakel beizuwohnen. Seit meiner eigenen Begegnung mit dem Scharfrichter hatte ich das Interesse an Hinrichtungen verloren.
    Zusammen mit Bockelson starben an diesem Tag auch der Statthalter Bernhard Knipperdolling und Bernd Krechting, der Bruder des ehemaligen Kanzlers Heinrich Krechting. Ein christliches Begräbnis wurde ihnen verwehrt. Die Leichen der Täuferführer wurden stattdessen in eisernen Käfigen an den Turm der Lambertikirche gehängt, wo jedermann mitansehen konnte, wie sie langsam verrotteten.
    Mit dem Tod des Täuferkönigs Jan Bockelson beende ich meine Erzählung. Mancher mag sich fragen, ob sich alles so zugetragen hat, wie ich es hier berichtet habe. Das Geschehene liegt viele Jahre zurück, und inzwischen bin ich ein alter Mann. In meiner Erinnerung sehe ich diese Zeit jedoch vor mir, als wäre alles erst vor wenigen Tagen geschehen. Wer da behauptet, ich hätte das eine oder andere dazuerfunden oder so manches Detail farbig ausgeschmückt, dem gebe ich mein Wort darauf, dass ich mit meiner Erzählung in keiner Weise übertrieben habe. Cort hat mir gegenüber einst behauptet, das Wort eines Gauklers und Diebes besäße den gleichen Wert wie ein Hundefurz.Ob er damit recht hatte? Das mag jeder für sich selbst beurteilen.
    Nun werde ich mich schlafen legen. Denn schon morgen ziehen wir in die nächste Stadt. Sesshaft bin ich mein ganzes langes Leben nicht geworden.
    Aus welchem Grund auch

HISTORISCHE ANMERKUNG
    In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts breitete sich die Reformation innerhalb weniger Jahre in weiten Teilen Europas aus. Die Erfindung der Druckerpresse machte es möglich, dass die Schriften Martin Luthers in kurzer Zeit millionenfach veröffentlicht wurden. Viele Menschen, die an den Dogmen der katholischen Kirche zweifelten, begrüßten die Ideen des Reformators, der mit vielen althergebrachten kirchlichen Traditionen brach und das Neue Testament ins Deutsche übersetzte, damit auch die einfachen Bürger die Worte der Bibel lesen und verstehen konnten.
    Bald jedoch spaltete sich die Reformbewegung in mehrere protestantische Fraktionen auf. Bei einer dieser Gruppen handelte es sich um das Täufertum, das zwar auf den Lehren Luthers basierte, aber weitaus radikalere Ziele verfolgte. Die Täufer akzeptierten als ihre Gesetze nur die Worte der Heiligen Schrift und lehnten die Sakramente der alten Kirche ab, ausgenommen die Taufe, die sie aber nur erwachsenen Menschen zubilligten, die in voller Überzeugung ihrBekenntnis zum Glauben ablegen sollten. Da die Kindstaufe als ungültig erklärt wurde, gingen sie dazu über, die erwachsenen Anhänger der Bewegung erneut zu taufen. Dies brachte den Täufern unter ihren Gegnern die abwertende Bezeichnung Wiedertäufer ein.
    Eine größere Täufergemeinde entstand in Zürich. Hier wurde auch die erste Erwachsenentaufe vollzogen. Bald darauf ging der Rat der Stadt mit Waffengewalt gegen die Täufer vor. Es gelang ihm jedoch nicht, die Gemeinde vollständig zu zerschlagen, und in den kommenden Jahren fand die Bewegung viele neue Anhänger. 1528 erklärte ein kaiserliches Mandat die Täufer für vogelfrei. Jedem war es nun erlaubt, die Abweichler gefangen zu setzen, sie zu foltern und zu töten. Dieses Edikt kostete mehrere tausend Täufer das Leben. Die blutigen Verfolgungen schürten unter den Täufern die immer radikalere Ablehnung aller gesetzlichen und kirchlichen Obrigkeiten. Von nun an sah sich die Bewegung im Recht, sich gegen ihre Feinde auch mit Gewalt zur Wehr zu setzen.
    In den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts hielt die Reformation zunehmend im Westfälischen Einzug. In Münster bestand der Rat der Stadt nach der Wahl im Frühjahr 1533 bereits zur Hälfte aus Lutheranern. Viele dieser Ratsherren sympathisierten mit den Lehrender Täufer. Vor allem der wohlhabende Tuchhändler Bernhard Knipperdolling erwies sich als Wortführer radikaler Ideen. Unterstützt wurde er von den Predigten des Kaplans Bernhard Rothmann, der ebenfalls dem Täufertum nahestand und große Teile der Stadtbevölkerung mit wortgewaltigen Reden für sich einnahm.
    Nach der Ratswahl des

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