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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Unbeschwertheit.
    Noch heute würden wir die belagerte Stadt hinter uns lassen. Ich fragte mich, was in den nächsten Wochen mit Münster geschehen mochte. Die Vorräte der Täufer würden ohne Zweifel noch vor Einbruch des Winters zur Neige gehen. Würde Jan Bockelson sein hungerndes und geschwächtes Volk langsam zu Grunde gehen lassen, oder führte er es womöglich in eine verzweifelte letzte Schlacht vor die Tore der Stadt?
    Ich musste an die Begegnung mit dem Täuferkönig in dessen Schlafkammer denken, als mir klargeworden war, dass es einige Ähnlichkeiten zwischen uns gab. Bockelson war wie ich in eine Rolle geschlüpft, doch ich nahm an, dass er für das Drama, das er heraufbeschworen hatte, keinen Beifall ernten würde, wenn die Vorstellung beendet war.
    In der Nähe wurde eine Kanone abgefeuert, die mich aus meinen wehmütigen Gedanken riss. Ich trat davon und begab mich in das Lager, wo ich einen Schlauch Bier sowie getrocknetes Fleisch und einen Laib Brot erwarb.
    Als ich zu unserem Quartier zurückkehrte, waren Cort und Reynold bereits mit den Pferden eingetroffen. Keinen von uns hielt es länger hier, und so saßen wir auf und machten uns auf den Weg. Cort befreite Amalia von ihren Handfesseln und wies sie an, sich vor ihm in den Sattel zu setzen, wo er sie jederzeit im Griff behalten konnte. Clunsevoets Tochter war der Widerwillen deutlich anzumerken, doch sie verzichtete weiterhin darauf, sich zur Wehr zu setzen.
    Wir kamen zügig voran, dennoch mussten wir am Abend eine Rast einlegen, und hier zeigte es sich, dass Amalias Fügsamkeit nur ein Trugschluss gewesen war. Kaum hatten wir abgesessen, um in einem Waldstück die Pferde anzubinden und Holz für ein Feuer zu sammeln, nutzte Amalia diesen unachtsamen Moment und schwang sich auf eines der Pferde. Wahrscheinlich wäre sie auf und davon gewesen, wenn Cort nicht rasch aufgesprungen wäre und Amalias Beine zu fassen bekommen hätte. Er zog sie vom Pferd, und sie fiel unsanft auf die harte Erde. Cort fesselte daraufhin erneut ihre Hände und wurde von Amalia dafür mit wüsten Beschimpfungen abgestraft.
    Wir stärkten uns am Feuer und schliefen abwechselnd wenige Stunden. Noch vor dem Morgengrauen brachen wir auf und erreichten vor der Mittagszeit die Tore Osnabrücks.
    Wie friedlich mir diese Stadt nach den aufregendenTagen in Münster erschien, wo ein unbedachtes Schimpfen bereits das Todesurteil bedeuten konnte. Wir trabten zu dem Haus, in dem Clunsevoet seine Männer zurückgelassen hatte, und trafen dort auf zwei Burschen. Einer von ihnen machte sich umgehend mit der Nachricht an den Gutsherrn auf den Weg, dass sich Amalia in Osnabrück aufhielt. Clunsevoet, so teilte er mir mit, bevor er aufbrach, halte sich nur eine Tagesreise von Osnabrück entfernt auf und würde wohl schon morgen hier eintreffen.
    Amalia brachten wir in dem Raum unter, in dem der Gutsherr damals mich und meine Gefährten eingesperrt hatte. Cort blieb zunächst bei ihr, um ihr ins Gewissen zu reden, bevor ihr Vater eintraf.
    Um mir die Zeit zu vertreiben, streifte ich durch das Haus und stieß in einem Stallgebäude auf unseren Wagen, den wir hier vor knapp einem Monat zurückgelassen hatten. Ich stieg auf das Gefährt und entdeckte die Truhe mit meinen Reliquien. Als ich den Deckel öffnete, stellte ich fest, dass sich noch alles an seinem Platz befand. Wären diese Dinge gestohlen worden, hätte mich das allerdings nicht allzu sehr erschüttert, denn letztendlich handelte es sich nur um wertlosen Tand, den ich mir in kürzester Zeit in einem Haufen Unrat zusammensuchen konnte.
    Hier auf dem Wagen überkam mich ein Gefühl der Wehmut, und ich konnte es kaum mehr erwarten,meine Tochter endlich wieder in die Arme zu schließen.
    Ich schlenderte über den Hof und blieb neben der Senkgrube stehen, in der ich fast ertränkt worden wäre. Passenderweise trat nun auch noch Cort aus dem Haus heraus, sah mich dort an der Grube stehen und sagte: »Schwelgst du in den Erinnerungen an unsere erste Begegnung?«
    »Wie könnte ich diesen Tag vergessen«, erwiderte ich. »Ich spüre noch immer deine Pranken an meinem Kragen, als mein Kopf über den Fäkalien hing.« Ich schaute ihn abschätzend an. »Hättest du es getan? Hättest du mich dort tatsächlich ertränkt, wenn Clunsevoet es von dir verlangt hätte?«
    Cort zuckte die Schultern. »Ein Söldner erledigt für Geld jede schmutzige Aufgabe. Das solltest du wissen.«
    Ich versuchte abzuschätzen, ob Cort mich verhöhnte oder ob er

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