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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Clunsevoet viel Gram bereitet hatte. Es hieß, Amalia habe eine leidenschaftliche Affäre mit einem der Vorarbeiter begonnen. Bald darauf hatte sie mit diesem Kerl das Weite gesucht, und niemand wusste, wo Amalia sich aufhielt. War sie womöglich zu den Täufern nachMünster zurückgekehrt? Ich glaubte nicht daran. Meiner Einschätzung nach hatten die Lehren der Täufer keine allzu große Bedeutung für Amalia. Für sie war die Zeit in der Gemeinde Christi wohl nur ein Abenteuer gewesen, und wahrscheinlich hatte sie schon vor unserem Eintreffen in Münster geahnt, dass das Königreich des Jan Bockelson dem Untergang geweiht war.
    Cort kümmerte Amalias neuerliche Eskapade glücklicherweise kaum. Er war zudem abgelenkt durch eine andere Frau – eine zierliche Person mit Namen Greet, der er begegnet war, als wir uns einige Tage in Den Haag aufgehalten hatten. Greet hatte das Talent, die Menschen auf vielfältigste Weise unterhalten zu können. Sie war eine hervorragende Artistin, spielte vortrefflich auf der Flöte wie auch auf der Mandoline und verstand es, den Menschen die Zukunft aus der Hand zu lesen. Bereits nach wenigen Tagen stand für diese temperamentvolle Frau fest, dass sie Cort nicht einfach des Weges ziehen lassen wollte, und so begleitete sie uns fortan.
    Cort hatte also sein Glück gefunden. Jasmin und ich hingegen gerieten weiterhin ab und an in Streit, aber genauso schnell wie dieser Hader aufkam, verflog er zumeist auch wieder. Die Tage in Münster hatten uns bewusst gemacht, das Leben und vor allem die Zeit, die wir miteinander verbrachten, stärker zuschätzen, und so fühlten wir uns enger aneinander gebunden als je zuvor.
    Ende Februar begaben wir uns wieder auf die Wanderschaft. Unsere Geldmittel waren aufgebraucht. Also gingen wir unserer alten Beschäftigung nach und bereisten die Jahrmärkte. Jasmin und ich priesen die wundersame Kraft unserer falschen Reliquien an, Reynold verkaufte seinen wirkungslosen Theriak, Greet führte Kunststücke auf, Mieke fischte die eine oder andere Münze aus den Taschen der Wohlhabenden, und Cort erwies sich als durchaus geschickt, wenn wir hin und wieder einen Diebeszug unternahmen.
    Im Frühsommer kehrten wir in die Münsterschen Lande zurück. Acht Monate waren seit unserer Flucht aus dem Neuen Jerusalem vergangen, und noch immer wurde Münster von den Truppen des Bischofs belagert. Wir erfuhren, dass in all der Zeit kein einziger Sturmangriff mehr unternommen worden war. Der Bischof vertraute auf die Tatsache, dass Münster seit über einem Jahr von jeglicher Warenzufuhr abgeschnitten war und dass die Menschen in der Stadt seit Monaten entsetzlichen Hunger litten. Doch letztendlich lief auch dem Bischof die Zeit davon, denn es hieß, es gelinge Franz von Waldeck kaum noch, den Sold für seine Soldaten aufzubringen. Wenn Münster nicht bald fallen würde und die Landsknechteihren versprochenen Beutezug erhielten, würden die Söldner dem Bischof nicht mehr lange zu Diensten stehen.
    Aus welchem Grund waren wir überhaupt nach Münster zurückgekehrt? Wahrscheinlich war es ganz einfach die Neugierde. In gewisser Weise bewunderte ich die starrsinnigen Täufer, die dort hinter den starken Mauern seit über einem Jahr auf die Erlösung durch den Heiland, Jesus Christus, warteten und anscheinend gewillt waren, den Hungertod zu sterben, bevor sie die Stadt freiwillig in die Hände des Bischofs gaben.
    Als ich an die Schanze trat, war ich beeindruckt davon, welches Bollwerk hier in den vergangenen Monaten entstanden war. Die einst leicht zu überwindenden Hügel zwischen den Blockhäusern waren zu einer massiv befestigten Grenze ausgebaut worden. Ich passierte mannshohe Palisaden, stieg auf eine Erhebung und konnte von hier in das Niemandsland schauen. Hinter der Schanze war als zusätzliche Hürde ein Wassergraben angelegt worden.
    Vor den Stadtwällen bot sich mir ein schrecklicher Anblick. Dutzende, ja Hunderte, abgemagerte Menschen stolperten oder krochen im Niemandsland herum. Es handelte sich um alte und verkrüppelte Leute und zudem viele Frauen und Kinder. Die in Lumpen gekleideten Kinder boten den erschütterndstenAnblick. Einige waren zu schwach, um sich auf den Beinen zu halten, und ihre Bäuche waren vom Hunger geschwollen. Mehrere dieser Leute rupften Grasreste aus dem Boden und stopften sie sich in den Mund. In der Nähe wankte eine dürre Frau zu einem der Blockhäuser, streckte die Arme aus und flehte die Landsknechte an, ihre Abfälle

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