Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
hinauswollte.
»Du meinst, du kannst nicht treu sein.«
Ich zuckte die Schultern. »Auch wenn ich mit Jasmin das Lager teile, ist die Versuchung sehr groß, dann und wann die Dienste einer Hure in Anspruch zu nehmen. Vor allem dann, wenn meine Gedanken vom Wein benebelt sind. Es mag ein halbes Jahr zurückliegen, da hielten wir uns in Minden auf, wo ich zusammen mit Reynold ein Bordell aufgesucht habe. Wir waren beide betrunken, und als wir zu unserem Wagen und zu Jasmin zurückkehrten, hat Reynold sich in seinem Rausch verplappert. Jasmin war davon nicht sehr angetan, und ich musste ihr hoch und heilig einen Schwur ablegen, dass ich die Finger von den Huren und allen anderen Frauen lasse.«
»Und? Wie viele Tage sind vergangen, bis du diesen Schwur gebrochen hast?«
»Zumindest einige Wochen.« Ich kratzte verlegenmeinen Hinterkopf. »Im Mai trafen wir in einem Marktflecken auf eine Gruppe umherziehender Dirnen. Eine von ihnen, ein junges zierliches Geschöpf, verführte mich mit den Blicken aus ihren smaragdgrünen Augen, und ich ließ mich von ihr auf einen Heuschober locken. Leider beobachtete Jasmin mich dabei, und sie überraschte uns in dem Moment, als ich gerade meine Beinkleider herunterließ. Seitdem lässt sie mich nicht mehr in ihre Nähe.«
Cort zischte abfällig. »Das Wort eines Gauklers und Vaganten hat also den gleichen Wert wie ein Hundefurz.«
»Die Reize der Weiber lassen mich eben schwach werden«, verteidigte ich mich.
»Du gefährdest den Zusammenhalt eurer Gemeinschaft«, mahnte Cort. »Ich kenne euch noch nicht sehr lange, aber mir scheint es, als würdet ihr alle schon bald eurer eigenen Wege gehen.«
Ich musste es Cort zugestehen, dass er ein aufmerksamer Beobachter war. Es hatte Zeiten gegeben, in denen meine Gefährten und ich weit enger zueinander gestanden hatten. Ich dachte daran, dass Reynold mir in Osnabrück damit gedroht hatte, er würde eines Tages nicht mehr zu uns zurückkehren, und ich fragte mich, ob es ihm damit tatsächlich ernst gewesen war.
»Erzähl mir mehr über dich«, bat Cort. »Woherstammst du, und wie bist du zu einem herumziehenden Dieb geworden?«
Fragen über Fragen. Ich war es leid, vor Cort mein gesamtes Leben auszubreiten. Doch ich wollte nicht auch noch ihn gegen mich aufbringen, und so berichtete ich ihm in knappen Worten, wie ich vor etlichen Jahren mein Elternhaus verlassen hatte, um mich dem Heer der aufständischen Bauern anzuschließen, und dass ich dort im Tross ein Mädchen mit Namen Engele getroffen hatte, die ungeschickterweise schon bald darauf von mir geschwängert worden war.
»Dass sie ein Kind erwartete, erfuhr ich von Engeles Vater, nachdem der mich mit einem harten Faustschlag zu Boden gestreckt hatte«, vertraute ich Cort mit einem Schmunzeln an. »Und er drohte mir noch weit schlimmere Folgen an, wenn ich es wagen sollte, das Weite zu suchen und Engele mit dem Kind allein zurückzulassen.«
»Du hättest davonlaufen können«, sagte Cort. »Wahrscheinlich hätte ihr Vater dich niemals gefunden.«
»Ich bin nicht so gewissenlos, wie du mich einschätzt. Zudem fühlte ich mich durchaus zu Engele hingezogen. Und da der Aufstand der Bauern ohnehin in einem blutigen Fiasko geendet war, zog ich fortan mit der Gemeinschaft von Engeles Vater über das Land. Es waren acht oder neun Leute, zumeistArtisten und Spielleute. Auch Reynold begleitete uns zu dieser Zeit bereits. Schon damals war seine Apotheke reichlich bestückt.«
»Miekes Mutter und die anderen Gaukler – wo sind die abgeblieben?«
Ich seufzte. »Sie sind alle tot. Vor fünf Jahren kam der Englische Schweiß über uns, und die Seuche verschonte nur Mieke, Reynold und mich. Die anderen begruben wir in einem Waldstück in der Nähe von Coesfeld. Nach Engeles Tod stand Reynold mir zur Seite, und auch wenn wir in den letzten Wochen und Monaten des Öfteren aneinandergeraten sind, sehe ich ihn immer noch als einen treuen Freund an.«
Cort schwieg einen Moment und fragte dann: »Dein treuer Freund Reynold – ist er tatsächlich ein Medikus?«
»Nicht mehr als du oder ich. Aber er bezeichnet sich selbst gerne so. Ich würde jedoch keinem Menschen den Rat geben, sich in seine Obhut zu begeben, wenn er an seinem Leben hängt.«
»Heute Morgen hat er behauptet, er hätte während des Bauernaufstandes an mehreren Schlachten teilgenommen. Entspricht das der Wahrheit?«
»Alles, was ich gesehen habe, ist, dass es ihn erst auf die Schlachtfelder gezogen hat, wenn das blutige
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