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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Walles mochte an die tausend Fuß betragen, er erhob sich in ähnlicher Höhe wie die Stadtmauern vor ihm. Sein steiler Hang wies nach Münster, und auf seinem abfallenden Rücken schufteten wohl mehrere hundert Mann, die mit ihren Schubkarren und Körben Erde heranschafften, um sie auf die andere Seite zu schütten. Auf diese Weise wurde die Schanze zu einer Erdwalze, die sich langsam aber unaufhaltsam voranschob. Alles in allem eine simple, aber faszinierende Idee. Mit dieser Erdwalze würden die Männer des Bischofs in wenigen Wochen in der Lage sein, den Graben aufzufüllen und über die Rampe die Stadtmauern zu überwinden.
    Während ich noch dieses Gewerk bestaunte und die Arbeiten verfolgte, wurden von der Stadt aus mehrmals Kanonenschüsse abgegeben. Die Kugeln trafen zwar die Erdwalze, richteten aber keinen großen Schaden an.
    Wenn es also nur noch eine Frage der Zeit war, bis ein Angriff erfolgte, warum warteten wir den Sturmlauf nicht einfach ab und folgten den Truppen des Bischofs in die Stadt? Ich seufzte, weil mir sogleichklar wurde, dass dies nicht möglich sein würde. Clunsevoet hatte uns nur einen Monat gegeben. Womöglich würde es länger dauern, bis die Erdwalze die Stadtmauern erreichte. Wir mussten eine Möglichkeit finden, vor der Erstürmung nach Münster hineinzugelangen, so dass uns genug Zeit blieb, Amalia in der Stadt aufzuspüren und unbeschadet herauszuschaffen. Was mir nun noch fehlte, war ein Plan.
    Fürs erste hatte ich genug gesehen. Ich kehrte zu dem Platz zurück, den wir für unser Quartier gewählt hatten. Dort waren Reynold und Jasmin bereits damit beschäftigt, mit dem Leinenstoff und einigen Holzstangen ein schattenspendendes Dach zu errichten.
    »Schau dir an, was wir mitgebracht haben«, rief mir Jasmin zu und wies auf einen Weidenkorb. Sie winkte mich heran und nahm das Tuch fort, mit dem der Korb abgedeckt worden war. Mein Blick fiel auf ein Dutzend Eier, zwei Laibe Brot, Butterschmalz und eine Speckseite.
    »Bei allen Heiligen«, raunte ich und strich über meinen knurrenden Magen.
    »Und das ist noch nicht alles«, sagte Reynold und zog hinter seinem Rücken einen Tonkrug hervor. Er entkorkte ihn und ließ mich einen betörend würzigen Duft erschnuppern.
    »Ein schmackhafter Rheinwein«, sagte er stolz.»Nicht so ein verdünnter Fusel, wie er in den meisten Tavernen ausgeschenkt wird.«
    »Allmächtiger!« Mir lief sogleich das Wasser im Mund zusammen. »Hat Cort euch so viele Münzen mit auf den Weg gegeben?«
    »Nun ja …«, druckste Reynold herum.
    Ich zog die Stirn kraus. »Was willst du mir sagen?«
    Reynold kniff die Lippen zusammen, doch zumindest Jasmin gab mir eine Antwort: »Die Münzen, die er uns gab, hätten nur für trockenes Weizenbrot und einen Krug Dünnbier gereicht. Da haben wir … ihn …«
    »Ihr habt Cort bestohlen«, schlussfolgerte ich.
    »Im Grunde haben wir doch nur Everhard Clunsevoet in die prall gefüllte Börse gegriffen«, verteidigte sich Reynold. »Und dieser Goliath hätte dich doch beinahe in den Fäkalien ertränkt. Ist es dann nicht recht und billig, wenn wir es uns auf seine Kosten gut gehen lassen?«
    Ich klopfte Reynold auf die Schulter und lächelte milde. »Ist das alles, oder hast du noch mehr gekauft?«
    Reynold zögerte kurz, dann zog er unter seinem Wams eine kleine Holzschachtel hervor und öffnete sie. Ich warf einen Blick hinein und konnte mehrere graue Kügelchen erkennen.
    »Was ist das?«, wollte ich wissen.
    »Die machen uns den Kopf frei, wenn uns Sorgen plagen«, sagte Reynold.
    »Was meinst du damit?«
    »In diesen Kugeln steckt der zerriebene Samen der Opiumpflanze. Man findet nur selten einen Händler, der dieses Rauschmittel zum Verkauf anbietet, aber durch Zufall sind wir hier auf einen gestoßen.«
    In der Schatulle befanden sich rund zwei Dutzend dieser Kügelchen. Ich selbst hatte dieses Mittel noch niemals zu mir genommen, aber es war mir zu Ohren gekommen, dass schon eine geringe Dosis davon einen gestandenen Mann über Stunden in einen Rausch versetzen konnte, der die Welt um ihn herum wie einen Traum erscheinen ließ.
    »Wenn ich etwas davon in meinen Theriak mische«, verkündete Reynold, »wirkt das größere Wunder als alle deine Reliquien zusammen.«
    Der Spott scherte mich nicht, denn die Verlockung der ausstehenden Mahlzeit war zu groß. Reynold und Jasmin hatten auch einen Rost und einen Eisenteller besorgt, so dass wir rasch ein Feuer entzündeten, um die Eier und den Speck zu

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