Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
Stall, wo wir neben einem Fuder Heu unser Lager aufschlagen konnten. Der Knecht brachte uns auch einen Eimer Wasser, damit wir uns den Staub der Straße abwaschen konnten, sowie ein kleines Fass mit selbstgebrautem Bier. So hockten wir uns auf unsere Decken und teilten die Vorräte auf. Reynold und Jasmin griffenhungrig zu dem Roggenbrot und den geräucherten Würsten, die wir mit uns führten. Ich jedoch hielt mich zurück und aß nur wenig.
Neben mir saß der massige Cort. Ich fühlte mich unbehaglich neben diesem Mann, der mich am gestrigen Tag so mühelos in die Höhe gestemmt hatte, um mich in der stinkenden Kloake zu ertränken. Nun saßen wir hier zusammen und teilten unseren Proviant miteinander. Jasmin und Reynold schien das nicht zu stören.
Cort blieb meine Zurückhaltung nicht verborgen. Er füllte meinen Becher mit Bier auf und meinte: »Du bist so sehr in deine Gedanken versunken. Arbeitest du bereits einen Plan aus, der uns nach Münster hinein-und wieder hinausbringt?«
Ich seufzte. »Im Moment bin ich mit meinen Gedanken bei meiner Tochter Mieke. Sie war in all den Jahren niemals von mir getrennt. Jetzt ist sie allein und die Gefangene dieses Gutsherrn. Sollte Clunsevoet meinem Kind auch nur ein Haar krümmen lassen …«
»Euer Kind«, fiel mir Cort ins Wort, »kam mir nicht unbedingt wie ein verschrecktes Reh vor. Es würde mich nicht wundern, wenn sie ihren Aufpassern schon jetzt den Tag zur Hölle macht.«
»Und wenn schon«, zischte ich.
»Clunsevoet liegt viel an seiner Tochter. Er will nurGewissheit, dass du alles daransetzen wirst, Amalia zu ihm zurückzubringen.«
»Du und dein Herr, ihr scheint wahre Wunder von mir zu erwarten«, erwiderte ich ungehalten. »Ich frage mich, warum ihr so überzeugt davon seid, dass ausgerechnet ich in das belagerte Münster eindringen und dieses Mädchen dort herausschaffen kann.«
»Ich habe mehrere Wochen lang mit meinen Leuten eure Spur verfolgt. Immer wenn ich einen der Orte erreichte, an dem ihr euch zuvor durch eine List Vertrauen erschlichen und Beute gemacht hattet, kam ich nicht umhin, euch Respekt für eure Verschlagenheit zu zollen.«
»Hör sich das einer an«, tönte Reynold mit vollem Mund. »Sieht so aus, als hätten wir einen Bewunderer gefunden.«
»Während du auf Clunsevoets Hof gearbeitet hast, konntest du uns glauben machen, du wärest ein tumber Dummkopf«, sagte Cort. »In dem Kloster, das ihr nach eurer Flucht aus Rheine beraubt habt, bist du als Wanderprediger aufgetreten, dem dort ein Quartier angeboten wurde. Und der Provisor des Leprosoriums, den du um zwanzig Schillinge erleichtert hast, sprach davon, dass ihn ein Fremder beraubt habe, der arg von der Lepra gezeichnet gewesen war und am Tag zuvor um Hilfe gebeten hatte.« Er nahmeinen Bissen, kaute und fragte dann: »Wie ist es dir überhaupt gelungen, dieses Siechtum vorzutäuschen?«
Ich wollte ihm sagen, dass dies mein Geheimnis bleiben würde, doch da polterte Reynold bereits hervor: »Emanuel trug eine Maske aus getrocknetem Pferdemist auf seinem Gesicht. Unter seiner Kapuze konnte man ihn nicht von einem gewöhnlichen Leprosen unterscheiden. Im Grunde sah er damit sogar hübscher aus.«
Cort lachte leise. Ich ließ den Spott ungerührt über mich ergehen und nahm nun doch einen Schluck von dem Bier, das dünn und fad schmeckte.
»Es mangelt dir nicht an Einfällen, um deine Ziele zu erreichen«, sagte Cort zu mir. »Und du besitzt ein Talent, anderen Menschen etwas vorzugaukeln. Ich glaube, das sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um in Münster unerkannt zu bleiben und die Täufer über unsere wahren Absichten zu täuschen.«
»Die Wiedertäufer machen mir Angst«, meinte Jasmin. »Obwohl ich nur sehr wenig über sie weiß.«
»Mir geht es ähnlich«, merkte ich an und sagte zu Cort: »Was ist mit dir? Hat Everhard Clunsevoet mit dir über die Täufer und das Geschehen in Münster gesprochen, bevor er dir den Auftrag erteilt hat, uns zu begleiten?«
Cort nickte. »Vor einigen Wochen, während ich mich noch auf der Suche nach euch befand, reiste Clunsevoet nach Münster, um seine Tochter aus der Stadt zu befreien. Er setzte einige Tage lang alles daran, jemanden ausfindig zu machen, der bereit war, sich für eine großzügige Summe in die Stadt zu schleichen und Amalia zu ihm zurückzubringen. Clunsevoet gelang es, zwei Männer anzuheuern, die es versucht haben. Der eine wurde schon vor den Wallmauern niedergeschossen. Der andere gelangte zwar in
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