Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
gegenüber den Münzen des Bischofs den sieben-oder achtfachen Wert besitzen.«
»Klingt, als würdest auch du mit dem Gedanken spielen, in die Dienste der Täufer zu treten«, meinte Reynold.
»Vielleicht hätte ich das machen sollen«, erwiderte Antonius. »In den ersten Wochen der Belagerung gab es noch einen regen Austausch zwischen den verfeindeten Parteien. Die Täufer gingen in den Lagern ein und aus und trieben Handel. Viele von uns streiften durch die Stadt. Nach dem ersten Sturmangriff im Mai hat sich das aber geändert. Jede Seite provoziert die andere mit giftigen Worten, und wenn sich jemand von uns einem der Stadttore nähern würde, bekäme er entweder eine Ladung Blei in die Brust geschossen oder aber eine Kugel in den Rücken, denn die Bischöflichen haben den Befehl erhalten, jeden Deserteur unverzüglich niederzustrecken.«
»Also kämpfst du weiterhin für den Bischof«, raunte ich.
»Das tue ich, und ich zähle dabei auf die zähe Beharrlichkeit Franz von Waldecks. Ein neuer Angriff steht bevor, und wenn wir den Sieg davontragen, wird die Stadt geplündert. Dann werde ich mit dem Schwert den Lohn für meine Mühen von den Täufern einfordern.«
»Hast du nicht vorhin noch behauptet, die Stadt wäre uneinnehmbar?«, meinte Cort.
»Wer weiß?«, antwortete unser Gast mit einem Schulterzucken. »Alle Hoffnungen ruhen auf der großen Erdwalze, die euch vielleicht schon aufgefallen ist.«
Ich nickte, und Antonius sprach weiter. »Wenn die Bauern weiterhin so fleißig wie die Ameisen die Erde heranbringen, wird die Walze in drei oder vier Wochen den Außengraben überwunden haben. Dann wird sich zeigen, ob die Täufer tatsächlich unter Gottes schützender Hand stehen.«
»Wir müssen in die Stadt«, sagte Cort und sprach dabei meinen Gedanken aus. »So schnell wie möglich.«
»Hm.« Antonius kratzte sich am Kinn. »Das bedeutet, ihr sucht nach jemandem, der auch jetzt noch einen Weg kennt, wie man nach Münster hineinund wieder hinausgelangt.«
»Kennst du einen solchen Weg?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Ich? Nein. Auf keinenFall. Das muss aber nicht heißen, dass ich euch nicht den Namen eines Mannes nennen könnte, der so etwas fertigbringt.«
»Sag uns den Namen!«, verlangte ich.
»Eine Hand wäscht die andere.« Antonius deutete auf den Korb mit unseren restlichen Vorräten. »Gebt mir ein wenig Proviant mit auf den Weg, und ich sage euch, wo ihr den Mann findet, der euch helfen kann.«
»Du hast dir bereits mit unserem Brot, den Eiern und dem Speck deinen Wanst vollgeschlagen«, protestierte Jasmin. »Nun sollen wir dir auch noch den Rest in den Rachen schieben?«
Antonius richtete sich auf und erwiderte spürbar gekränkt: »Ich kann auch ohne ein weiteres Wort gehen.«
Mit einer Handbewegung bedeutete Cort ihm, sitzen zu bleiben. »Natürlich teilen wir gerne unseren Proviant mit dir.« Er erhob sich, schnürte zwei Eier und ein halbes Brot in ein Tuch, dann griff er hinter den Korb und zog den Krug mit dem Rheinwein hervor. Neben mir vernahm ich Reynolds aufgebrachtes Keuchen. Cort hingegen lächelte. Er musste gesehen haben, wie wir den Krug versteckt hatten, und es war nun seine Vergeltung für Reynolds Diebstahl, dass er den Wein an unseren gierigen Gast verschenkte.
»Damit kannst du dir die Speisen herunterspülen«, meinte Cort und reichte Antonius das Bündel undden Krug. Der genehmigte sich sofort einen kräftigen Schluck und nickte zufrieden.
»Ihr seid Engel«, sagte unser Gast und schob sich das Bündel wie ein gieriger Leviathan rasch unter sein Wams. »Vor kurzem habe ich mit einigen Kerlen gewürfelt. Einer von denen erwähnte, dass er mit seinem Vater in Kontakt steht, der sich noch immer in Münster aufhält, und dass einige der Torwachen ihm auch weiterhin Einlass in die Stadt gewähren. Der Name des Mannes ist Melchior Kribbe.«
»Wo finden wir diesen Melchior Kribbe?«, wollte ich wissen.
»Geht zu den Steinmetzen, die ihr Lager vor dem Bispingtor aufgeschlagen haben. Das ist alles, was ich euch sagen kann.« Antonius zog seinen Hut vom Kopf, verbeugte sich und lief so eilig davon, als befürchtete er, dass wir ihm das Bündel mit dem Proviant entreißen würden. Reynold ballte die Fäuste. Er knurrte ungehalten und wandte sich enttäuscht ab. Ich jedoch war zufrieden mit dem Handel. Was war schon ein Krug Wein gegen den Namen eines Mannes, der uns in die Stadt bringen konnte?
KAPITEL 8
Am nächsten Morgen suchten Cort und ich die
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