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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Täufern aufhalten?«, fragte ich. »Was sollten wir vermeiden, um keinen Argwohn zu wecken?«
    Kribbe hob die Schultern. »Flucht nicht, sprecht nicht schlecht über andere oder über die Lehre der Täufer und äußert keine Zweifel an den Predigten der Prädikanten. Am besten wäre es also, wenn ihr überhaupt nicht den Mund aufmacht.«
    »Das könnte sich als schwierig erweisen«, meinte Cort.
    »Begebt euch in die Neubrückenstraße, die ihr im Norden der Stadt seitlich der Aa finden werdet«, sagte Kribbe. »Dort gibt es ein Fachwerkhaus, über dessen Türbalken eine Rose in das Holz geschnitzt wurde. In diesem Haus wohnt mein Vater Anton. Überbringtihm meine Grüße. Ich kann euch nicht versprechen, dass er euch vertraut und seine Hilfe anbietet, aber es ist einen Versuch wert.«
    »Wir werden deinen Rat beherzigen«, erwiderte ich.
    Inzwischen hatten wir die Grenze des Lagers erreicht. Vor uns lag eine breite Schanze, von der aus mehrere Kanonen auf eines der Stadtportale gerichtet waren. In der Abenddämmerung konnte ich auf dem Wall ab und an Köpfe erkennen, die sich über die Zinnen streckten.
    »Ist dies das Tor, durch das wir in die Stadt gelangen werden?«, wollte ich wissen.
    Kribbe schüttelte den Kopf. »Nein. Bis wir das Tor erreicht haben, wird die Nacht hereingebrochen sein.« Er klopfte mir auf den Rücken. »Du darfst dich glücklich schätzen. Wahrscheinlich bin ich der einzige Mann in diesem ganzen Lager, der euch eines der Stadttore öffnen kann.«
    »Was wollen wir dann hier?«, fragte Jasmin.
    »Es wird Zeit für meinen abendlichen Gruß.« Mit diesen Worten kletterte er auf die Schanze, stemmte die Hände in die Hüften und stand da wie ein Gockel auf dem Mist.
    »Ist das nötig?«, stöhnte ich. »Wir sollten keine Zeit verlieren.«
    Kribbe löste die Bänder an seiner Hose, strecktesein Hinterteil zur Stadt aus und zog die Beinkleider nach unten.
    »Schaut euch das an, ihr Dummköpfe«, rief er laut und spreizte die Pobacken. »Das ist der Höllenschlund, in den ihr schon bald gestoßen werdet.«
    Ein Knall ertönte, gefolgt von einem Pfeifen. Kribbe lachte gackernd und wackelte mit dem Hintern, doch schon im nächsten Moment schlug eine Kugel in die Schanze, und Melchior Kribbe wurde über uns hinweggeschleudert. Sein Blut spritzte auf unsere Köpfe. Ich blinzelte und starrte ungläubig auf die Schanze. An der Stelle, wo Kribbe gestanden hatte, war eine tiefe Scharte zu erkennen. Dann bemerkte ich einen Hautfetzen auf meiner Schulter und wischte ihn schnell herunter.
    Auch die anderen waren von Kribbes Blut besudelt worden. Unsere Augen richteten sich auf Kribbes Leichenteile, die um uns herum verstreut lagen. Der Torso war vierzig Fuß von uns entfernt auf den Boden gefallen. Da das Geschoss Kribbes Körper am Unterleib entzweigerissen hatte, verzichte ich darauf, hier auf weitere unappetitliche Einzelheiten einzugehen.
    Cort jaulte laut auf, griff sich in die Haare und jammerte: »Er war der Einzige. Dieser verfluchte Dummkopf war womöglich der einzige Mann, der uns in die Stadt bringen konnte.« Wütend stapfte er davon.
    »Gütiger Himmel«, keuchte Reynold, machte sich mit Jasmin aber sofort daran, zwischen Knochensplittern, Stofffetzen und Eingeweiden die Goldgulden einzusammeln, die Kribbe bei sich getragen hatte.
    Direkt vor meinen Füßen bemerkte ich ein Blinken. Ich bückte mich und hob eine abgetrennte Hand auf. An einem der Finger steckte Kribbes silberner Ring. Angewidert zog ich das Kleinod ab, steckte es ein und folgte Cort.

KAPITEL 10
    Melchior Kribbes Torheit und sein plötzliches Ende lösten eine große Trübsal in mir aus. Ich verfluchte seine wahnwitzige Dreistigkeit, durch die er sein Leben verwirkt und uns womöglich die einzige Möglichkeit genommen hatte, in die belagerte Stadt zu gelangen.
    Wir hätten auf eigene Faust versuchen können, die Torleute zu bestechen, doch leider hatte Kribbe uns vor seinem Tod noch nicht verraten, vor welches der insgesamt zehn Stadttore er uns eigentlich hatte führen wollen. Und selbst wenn wir dieses Tor fänden, war wohl nicht anzunehmen, dass man uns Vertrauen schenken würde. Nein, eine Ladung Blei in den Leibwar alles, was wir dort zu erwarten hatten. Also blieb unsere Lage aussichtslos.
    Als wollten mir die Elemente beipflichten, fielen am Abend dieses Tages dicke Regentropfen vom Himmel. Schon bald darauf ging ein prasselnder Schauer auf uns hernieder, der mehrere Tage anhielt und die Erde unter unseren Füßen in

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