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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Bischöflichen verbissen voran, auch wenn die vordersten Reihen wieder und wieder von Steinblöcken erschlagen oder von den Speerspitzen der Täufer durchbohrt wurden.
    Meine Gefährten und ich hielten uns trotz der allgemeinen Angriffslust zurück und verfolgten das blutige Treiben von der Schanze vor dem Jüdefeldertor aus. Wir hockten nebeneinander auf der Erhebung, ließen einen Krug Bier von einem zum anderen kreisen, erleichtert darüber, diesem Gemetzel aus sicherer Entfernung beizuwohnen. Sollte sich abzeichnen, dass die Verteidiger zurückwichen und die Bastion von den Bischöflichen eingenommen wurde, standen wir jedoch bereit, den Landsknechten in die Stadt zufolgen und die Suche nach Amalia Clunsevoet aufzunehmen.
    Mehrere Stunden lang hallten Kampfgeheul, Schmerzensschreie, Schwerterklirren sowie das Donnern von Arkebusen und Kanonen an unsere Ohren. Ich musste den Täufern zugestehen, dass sie ihre Stadt wahrlich verbissen verteidigten. Auf den Wällen waren viele Frauen zu erkennen, die den Männern in ihrer Entschlossenheit in nichts nachstanden und mit ihren Spießen, brennenden Pechkränzen oder gezielten Steinwürfen die Angreifer abwehrten. Wenn es den Soldaten des Bischofs dann doch gelang, die Wälle zu überwinden, formierte sich dort sofort eine Mauer aus Leibern, die die Landsknechte am weiteren Vordringen hinderte und sie rückwärts drängte. Der Mut dieser selbsternannten Gotteskrieger erstaunte mich. Man mochte die Täufer für ihre Lehren verachten, aber ihre Verteidigung war hervorragend aufgestellt und ihr Kampfeswille auch nach der monatelangen Belagerung ungebrochen.
    Welle um Welle wurde der Angriff fortgeführt. Am frühen Abend jedoch scheiterte die Attacke endgültig. Die Söldner des Bischofs zogen sich zurück, schleppten zahlreiche Verwundete in die Lager und hinterließen ein Schlachtfeld, das mit Toten übersät war. Allein hier vor dem Jüdefeldertor betrug die Zahl der Getöteten mehrere hundert Mann. Während die Belagererdie Flucht ergriffen, fassten sich die Täufer an den Händen und tanzten auf den Wällen rund um die Stadt einen fröhlichen Reigen. Sie sangen und lachten, feierten diesen siegreichen Tag und priesen so lautstark die Gnade des Herrn, dass ihre Stimmen bis an unsere Ohren drangen.
    Auch wir wandten uns ab und stapften zu unserem Quartier zurück. Immer wieder passierten wir Gruppen von Verwundeten und traten durch blutige Pfützen. Das ganze Lager hatte sich in ein großes Lazarett verwandelt. Mehrmals schnappte ich im Vorbeigehen Gesprächsfetzen der enttäuschten Landsknechte auf, in denen darüber spekuliert wurde, ob der Allmächtige den Täufern vielleicht doch wohlgesinnt sei und ob es nicht besser sei, so schnell wie möglich von diesem verfluchten Ort das Weite zu suchen.
    Der folgende Tag führte uns die gesamte Tragödie des überstürzten Angriffs deutlich vor Augen. Aus allen Richtungen hörten wir die Schreie und das Stöhnen der Verwundeten. Die Toten wurden zu großen Haufen zusammengelegt, und die Bauern, die zuvor an der riesigen Erdwalze gearbeitet hatten, machten sich nun daran, tiefe Massengräber auszuheben. Man sprach davon, dass an die dreitausend Mann während der Kämpfe ums Leben gekommen waren. Das mochte ein wenig übertrieben sein, doch als ich durchdas Lager streifte, sah ich mehrere dieser Gruben, in die jeweils gewiss an die hundert Leiber geworfen worden waren.
    Und die Toten waren nicht die einzigen Verluste, die das Heer des Bischofs zu verkraften hatte. Immer wieder begegnete ich Landsknechten, die ihr Marschgepäck geschnürt und ihre Wagen beladen hatten und mit versteinerten Mienen das Lager verließen. Auch wenn der noch ausstehende Sold damit für sie verloren war, zogen es diese Männer wohl vor, die Belagerung aufzugeben und damit einem möglichen erneuten Ansturm mit fatalen Folgen zu entgehen.
    Doch selbst wenn es dem Bischof gelingen sollte, neue Söldner anzuwerben – es war kaum denkbar, dass er seine Landsknechte noch einmal eine solche Attacke ausführen ließ. Gegen die Wehranlagen Münsters würde er auch mit zehntausend Soldaten nichts ausrichten können. Franz von Waldeck würde den Täufern aber gewiss nicht sang-und klanglos die Stadt überlassen. Wie also konnte die weitere Strategie des Bischofs aussehen? Ich grübelte darüber nach und begriff rasch, dass es im Grunde nur noch eine einzige Möglichkeit für ihn gab. Franz von Waldeck musste die Belagerung aufrechterhalten und die Stadt noch

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