Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
berichten, dass Jan Bockelson schon seit geraumer Zeit unter dem Dach des wohlhabenden Tuchhändlers Knipperdolling lebte, der ein stattliches Haus am Prinzipalmarkt bewohnte. Am Tag nach der Königsproklamation begab ich mich also dorthin, um es in Augenschein zu nehmen.
Kribbe hatte mir beschrieben, dass das Haus des Tuchhändlers schräg gegenüber dem Rathaus stand. Ich hätte es aber auch ohne seine Hilfe gefunden, denn vor dem Gebäude hatten sich an die fünfzigMänner und Frauen versammelt, die wohl hofften, hier einen Blick auf ihren Propheten und König werfen zu können. Einige von ihnen waren betend auf die Knie gesunken. Außerdem stand vor dem Eingang ein Ochsenkarren bereit, der mit schweren Truhen beladen wurde. Zudem verließen mehrere Bedienstete das Haus und trugen auf ihrem Rücken mit Stoffen und Zinngeschirr beladene Kiepen fort.
Ich fragte eine Frau, was hier vor sich ginge, und bekam zur Antwort, dass der Prophet, der nun zum König erhoben worden war, nicht länger der Untermieter eines Gewandschneiders bleiben würde. Sie flüsterte mir zu, dass Jan Bockelson die prächtige Kurie des bischöflichen Obermundschenks Melchior von Büren am Domplatz ausgewählt habe, um dort für sich und seine Frauen einen Hofstaat einzurichten, der die Erhabenheit seiner Herrschaft zur Vollendung bringen solle.
Ihre Worte weckten meine Neugier. Ich machte mich auf den Weg und folgte den Kiepenträgern zum Domplatz, um mir das Haus anzuschauen, das der König zu seinem Domizil erwählt hatte. Als ich dort ankam, konnte ich hinter der Mauer einen wahrlich stattlichen Palast erkennen. Auf dem Platz vor der Kurie war rund ein Dutzend Ochsenkarren abgestellt worden, und ich konnte erkennen, dass sie mitprunkvollen Teppichen, Stoffen jeglicher Farbe, Mobiliar, Essensvorräten sowie mehreren Fässern beladen waren. Heerscharen von Bediensteten liefen dort herum, trugen alles, was herangefahren wurde, in das Haus und folgten den lautstarken Anweisungen der Rüst-, Hof-und Küchenmeister. Auch zahlreiche Handwerker hatten ihre Arbeit aufgenommen, besserten Schäden am Gebäude aus oder ließen mit frischer Farbe die ohnehin prächtige Fassade noch strahlender erscheinen.
Dies also war der Ort, an dem Amalia fortan leben würde. Vielleicht hatte sie bereits eine Kammer in dem neuen Königsdomizil bezogen.
Eine Weile blieb ich noch vor dem Tor stehen und betrachtete das Geschehen. In meinem Kopf formte ich bereits die Idee, wie wir vorgehen konnten, um mehr über Amalia zu erfahren und in ihre Nähe zu gelangen. Ich wollte diesen Plan aber zunächst mit meinen Gefährten besprechen, und darum kehrte ich alsbald zurück zum Haus des Anton Kribbe.
Als ich dort durch die Tür trat, bot sich mir in der Stube ein unerwartetes Schauspiel. Reynold war es anscheinend in den Kopf gestiegen, die salbungsvollen Predigten der selbsternannten Täuferpropheten zu verspotten. Er benutzte ein graues Bettlaken als Umhang, den er mit einer Klammer um seinen Hals befestigt hatte. So stand er auf einer Bank und hielteine Ansprache an das Publikum, das natürlich nur aus Jasmin, Cort, dem alten Kribbe und nun auch mir bestand. Reynold rollte mit den Augen, warf die Hände in die Höhe und brachte seinen Wortschwall mit solch geschliffener Betonung hervor, dass man hätte glauben können, tatsächlich einem der Prädikanten gegenüberzustehen, die uns in der Stadt begegnet waren.
»Gott ist erschöpft von unserer Sündhaftigkeit«, zischte Reynold und streckte einen Finger zu uns aus. »Er muss sich ausruhen, und darum will er, dass ein König als sein Stellvertreter hier im Neuen Jerusalem sein Wort vertritt.« Er nahm eine stolze Pose ein. »Das hätte ich sein sollen und nicht dieser verblendete Hurenwirt Jan Bockelson.«
»Und woher weißt du das alles, du Maulheld?«, rief ihm Anton Kribbe zu, den diese Darbietung durchaus zu amüsieren schien.
»Da war eine Stimme in meinem Kopf«, entgegnete Reynold und richtete seinen Blick nach oben. »Eine Stimme, die mir auch gesagt hat, dass jeder, der törichte Fragen an mich richtet, Gefahr läuft, auf direktem Weg in das Höllenfeuer geworfen zu werden, wo ihm glühende Eisenstangen in den Arsch getrieben werden.«
Reynold bemerkte, dass ich in die Stube getreten war, und breitete seine Arme zu mir aus.
»Noch ein reuiger Sünder, der vor mir auf die Knie fallen und seine Verfehlungen eingestehen will.«
»Deine Verfehlung ist es, dass du zu laut bist«, erwiderte ich. »Wenn jemand
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